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Kirche in WDR 2 | 29.06.2023 | 05:55 Uhr

Zeit, mich lieben zu lassen

Der Wecker klingelt und ich denke „Nein“!

Nein zu diesem schrillen Ton, Nein zum Ende der Nacht, der wohligen Wärme unter meiner Decke.

Und dann rege ich mich doch, mein Hund macht einen Freudentanz und ich sage Ja zu diesem neuen Tag auf dieser verrückten und wunderbaren Welt.

Aber es gibt auch Tage und Zeiten, da recke ich mich, mein Hund freut sich, und ich denke trotzdem: „Nein, diesen Tag will ich nicht.“ Und dann höre ich meine inneren Alarmglocken. Ganz laut und schrill.

Das Zeichen, dass ich in den vergangenen Wochen zu viele Feuer löschen musste – kein Wunder, dass ich keine Lust mehr habe auf einen weiteren Tag mit brenzligen Gesprächen und schweren Entscheidungen. Dass ich morgens denke: „Nein, ich möchte keine weitere Kränkung oder Verletzung erleiden oder verursachen. Aber das ist völlig unrealistisch.“


Wenn meine Alarmglocken schrillen, dann wird mir klar: Jetzt ist und war es zu viel. An Enttäuschung, Überforderung und Konflikt. Und das heißt gleichzeitig: Es ist zu wenig. Von dem, was mich Ja sagen lässt, morgens im Bett zu dem neuen Tag, von dem jeder ein Geschenk ist.

Und dann ist es meine Aufgabe, dass in Balance zu bekommen. Das mit der Liebe. Denn: Je mehr Baustellen ich habe, desto mehr Liebe brauche ich. Das ist leicht gesagt – schon, dass ich das überhaupt so sagen kann: ICH BRAUCHE LIEBE hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Und ich habe gelernt, dass niemand für den Ausgleich sorgen wird zwischen dem, was mir Kraft nimmt und dem, was mir Kraft gibt. Niemand, auch nicht Gott. Es ist vielmehr mein Job, mich um mich selbst zu kümmern. Dafür zu sorgen, dass ich genug Zeit mit Menschen verbringe, die mich lieben. Klingt vordergründig so, als sei es eine Zeit- und Prioritätenfrage. Ist es aber nicht.


Tieferliegend geht es darum, ob ich mich überhaupt so wichtig und wertvoll finde. Oft denke ich, mich selbst zu lieben ist eine Zumutung. Umso mehr tröstet mich, was in der Bibel steht. Da heißt es: Ich muss das Grundstück finden, in dem mein Schatz vergraben liegt. Der Schatz, die Liebe, ist ein Geschenk. Um Grund und Boden muss ich mich aber selber kümmern (Mt 13, 44). Ich bin überzeugt: Gute private Beziehungen sind das Einzige, was uns die Müdigkeit und Angst vor dem nächsten Tag, Monat oder sogar Jahrhundert nehmen können. Ich glaube, Gott hat uns aus Liebe heraus geschaffen, damit wir uns selber lieben, aber auch damit wir geliebt werden. Deshalb möchte ich mich – trotz Krisen und allerlei Zerstreuung – nicht davon abbringen lassen, nach guten Freundschaften und liebevollen Menschen zu suchen.


Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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