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Kirche in WDR 2 | 10.07.2023 | 05:55 Uhr
Expert*innen
Wir alle sind Expertinnen und Experten unseres Lebens. Unseres Alltags und unserer Urlaubsplanungen. Wir sind Expert:innen in der Auswahl unserer Freundinnen und Freunde. Wir sind Expert:innen in unserem Beruf wie in unserer Freizeit. Expertinnen und Experten sind Menschen, die sich selbst so bezeichnen bzw. von anderen so genannt werden.
Natürlich kann ich mich als Experte meines Lebens irren. Z.B. bei der Wahl meiner Freunde oder bei Anforderungen im Beruf. In der Regel ist das verzeihlich.
Dass wir alle Experten unseres Lebens sind, hat übrigens nichts damit zu tun, dass das Expertentum seit einigen Jahren in der öffentlichen Debatte inflationär zugenommen hat. Keine politische Diskussion, keine Talkshow ohne Expert:innen. Sie haben wesentlich den Umgang mit Covid beeinflusst. Sie diskutieren über die komplexen Fragen der Klimaveränderungen. Und sie beraten die Öffentlichkeit über den furchtbaren Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Was dabei auffällt ist, wie oft sich die Experten und Expertinnen irren! Zu Beginn des Krieges hat man uns z.B. erklärt, dass die russische Armee in spätestens fünf Tagen Kiew erobert haben wird. Heute spekulieren dieselben Expert*innen über einen Abnutzungskrieg und möglichen Sieg der Ukraine. Hauptsache der Westen liefert viele und schwere Waffen.
Der Titel „Sachverständige“ ist anders. Er ist rechtlich geschützt. „Sachverständige“ sind Menschen, die in Haftung genommen werden können. Sie sind für falsche Beurteilungen, die manchmal schlimme Folgen haben, mit verantwortlich. Expert*innen dürfen folgenlos in Talkshows spekulieren. Sie sind nicht haftbar für Fehleinschätzungen oder Meinungsmache.
Wenn es um Krieg und Frieden geht, brauchen wir Menschen mit einem umfassenden Sachverstand. Berufsgruppen, die etwas davon verstehen, wie Frieden erarbeitet werden kann. Bitte mit Haftung! Gerade dann, wenn sich Machthaber und Regierungen irren. Vor allem dann, wenn etwas unverzeihlich ist. Sowas hat es in der Geschichte bereits gegeben.
Geostrategische und militärische Interessen, der Börsenwert von Rüstungskonzernen dürfen nicht die öffentliche Debatte bestimmen. Vielleicht finden wir ja noch ein besseres Wort als „Sachverständige“, wenn es um Menschenleben geht. Um Hunderttausende, die in diesem Krieg bereits gestorben sind oder noch sterben werden.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
