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Hörmal | 18.06.2023 | 07:45 Uhr
Internationaler Tag des Picknicks
Immerhin, letzteres wird von Jesus auch berichtet: Er hat sich mit den Leuten ins Gras gesetzt, um zu essen – Sie wissen schon, die Geschichte mit der wunderbaren Brotvermehrung, wo mehrere Tausend Menschen satt wurden. Aber: Jesus war kein Picknicker. Konnte er gar nicht sein. Denn: Der Begriff „Picknick“, den gab es noch nicht zurzeit Jesu. Der ist erst im 17. Jahrhundert entstanden und geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf zwei französische Worte zurück, die kombiniert wurden, nämlich auf „piquer“, was so viel bedeutet wie „aufpicken“, und auf „nique“, was für Kleinigkeiten steht. Pique-nique meint also „Kleinigkeiten aufpicken“. Und das geschah bei einem gemeinsamen Essen, zu dem die Beteiligten ihren Teil mitbrachten – allerdings noch nicht im Freien. Kaum vorzustellen, aber: Nach draußen zog es die Menschen erst Ende des 18. Jahrhunderts, wie ein Kulturwissenschaftler nachgewiesen hat.[1] Grund dafür waren die überfüllten, dreckigen und stinkenden Städte. Besonders der Adel suchte damals Erholung im Grünen und nahm das Essen mit. Und schon bald hat es das Bürgertum dem Adel nachgemacht: mit Decken, Gläsern, Geschirr und leckerem Essen ging es hinaus. Die Picknickdecken markieren sozusagen den Platz, wo man sich als kleine Gruppe niederlässt und isst und trinkt.
Interessant ist allerdings, dass es bereits in der Antike beliebt war, im Freien zu essen. Bei den Griechen zum Beispiel hießen diese Mahlzeiten „Eranos“ und bei den Römern „Prandium“.
Und damit wären wir wieder in der Zeit Jesu und der Frage, ob er nicht doch picknicken war. Ich finde bemerkenswert, dass es bei der Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung mehr Parallelen mit dem Picknick gibt, als nur einfach draußen auf der Wiese zu essen. Es heißt nämlich im Markusevangelium (Mk 6,30-44): Jesus fährt mit seinen Jüngern in einem Boot an einen einsamen Ort. Aber viele tausend Menschen erfahren davon, laufen aus allen Städten dorthin und kommen noch vor ihnen an. Jesus hat Mitleid mit ihnen, lehrt sie lange, bis es Abend wird. Dann stellt sich die Frage: Wie an diesem abgelegen Ort etwas zu essen bekommen? Die Jünger haben gerade einmal fünf Brote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele? Jesus bittet dann die Menschen: Setzt euch in kleinen Gruppen ins Gras. Dann segnet er Brot und Fisch, lässt beides verteilen und alle werden satt. Es bleibt sogar noch etwas übrig.
Ok. – Das ist die Wundergeschichte von der Brotvermehrung. Einige Interpreten erklären das Wunder so: Alle Menschen im Gras packen auf einmal aus, was sie an Essen dabei haben und teilen es. Und – es reicht. Jede und jeder in seiner Gruppe pickt sozusagen die Kleinigkeiten auf, die jeder mitgebracht hat. Picknick eben – so würde ich sagen.
Und wenn Sie heute in der Natur picknicken und ihr Essen vielleicht mit fremden Leuten teilen, die gerade vorbeikommen, wer weiß, welches Wunder sich dann ergibt: ein Gespräch, eine Freundschaft? Jesus hätte jedenfalls Spaß an so einem Picknick des Teilens von Kleinigkeiten.
[1] Vgl.: https://www.hansenobst.de/blog/auf-den-tag-genau/internationaler-tag-des-picknicks.