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Kirche in WDR 2 | 22.06.2023 | 05:55 Uhr

Das Leben ist schön

In einem unserer Kirchenlieder heißt es: „Der ewigreiche Gott woll uns in unserem Leben ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben.“ „Autsch“, würden meine Freunde jetzt sagen: „Jetzt wird er dienstlich...“ Was soll ich sagen: Berechtigte Sorge. Mir klang dieser Vers auch immer ein wenig frömmlerisch. Abgehoben auch. Und vor allem fernab vom wahren Leben. Denn, wie bitte, soll das mit dem „fröhlichen Herzen“ und dem „edlen Frieden“ funktionieren – wenn ich zum Beispiel krank bin? Oder um einen lieben Menschen trauere? Habe ich mich immer gefragt. Und fand mich dabei ziemlich abgeklärt und klug und lebenserfahren.

Dann wurde mein Vater krank. So krank, dass er wusste, es geht auf das Ende zu. Selbstverständlich bekam er Medikamente, mit denen das Unvermeidliche hinausgezögert werden sollte. Nur: Eine der vielen Nebenwirkungen der Tabletten und Pillen und Infusionen war, dass er nicht mehr schlafen konnte. Er lag dann nächtelang wach und war dankbar, wenn ihm wenigstens mal für ein paar Minuten die Augen zufielen. Wenn ich dann gelegentlich morgens mal bei ihm war und er sich zu mir an den Küchentisch setzte, dann sah ich ihm das auch an, was ihm diese Nächte abverlangten. Aber: Mein Vater hat nicht geklagt.
. Und damit nicht genug: Denn er mochte noch so müde sein – seine Augen funkelten und lachten verschmitzt und waren ziemlich wach. Ich habe das lange nicht verstanden: Wie man über Tage und Wochen nicht richtig schlafen kann – und trotzdem noch erkennbar gut gelaunt ist.

Irgendwann klärte mich mein Vater dann auf: „Weißt du, wenn ich in diesen Nächten nicht schlafen kann, dann liege ich da … und erinnere ich mich an das, was ich in meiner Jugend so gemacht habe. Also … an den ganzen Unfug vor allem. Und dann muss ich so sehr lachen, minutenlang und immer wieder, dass ich gar nicht zum Klagen über die Schlaflosigkeit komme. Sondern mir denke: Das Leben ist schön – man muss nur daran teilnehmen…“

Wissen Sie: Mein Vater hatte es nicht einfach mit seiner Krankheit. Bis zum Schluss nicht. Am Ende mochte die auch über seinen Körper siegen. Aber seinen Geist – den hat sie nicht kleinbekommen. Ihm war so ein fröhliches Herz geschenkt. Er hat das Schwere und Schmerzhafte nicht ausgeblendet. Dazu war es zu gegenwärtig. Aber er hat eben immer wieder auf das Schöne und Leichte geblickt. Und er war nicht zuletzt deshalb fest davon überzeugt, dass der liebe Gott ihm diesen frommen Wunsch aus dem frommen Kirchenlied erfüllt hatte.

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