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Kirche in WDR 2 | 19.07.2023 | 05:55 Uhr
Vorsicht
Vielleicht kennen sie das auch: Frischgebackene Eltern, die ihren Motorradhelm an den Nagel hängen, weil sie die Verantwortung spüren, die sie jetzt tragen. Oder Großeltern, die anfangen, Sport zu treiben, weil sie für ihre Enkel fit sein wollen.
Ich denke dabei oft an dieses Gedicht von Berthold Brecht:
Morgens
und abends zu lesen
Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht
Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte mich vor jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte.
Das Gefühl, gebraucht zu werden, kann zur Vorsicht antreiben, zu Rücksicht und Verantwortung. Klar, mitunter wird es auch zur Überforderung. Der umgekehrte Fall jedoch, das Gefühl, dass es aus eigener Sicht beinahe egal ist, ob ich bin oder nicht – das ist ein trauriger Irrtum.
Denn jeder Mensch macht einen Unterschied für einen anderen. Kein Mensch ist egal.
Mitunter können Menschen das nicht sehen. Und immer wieder können Menschen nicht spüren, dass sie einen Unterschied machen. Dass sie gebraucht werden.
Diesen Teil unserer Gesundheit- unsere seelische, psychische Gesundheit nämlich, achten wir oft nicht gut genug. Oder machen es wie mein Vater früher „Was von alleine kommt, geht auch von alleine wieder!“
Mit einer klaffenden Wunde am Fuß gehen
wir zum Arzt – wenn`s in unserem Inneren zerfällt, allzu oft nicht. Dabei gilt
der Gedanke von Brecht dort genauso – wir sollten auf uns achten und uns helfen
lassen. Für uns selbst und für die, die uns brauchen. Immer wieder begegne ich
Menschen, die dazu nicht mehr die Kraft finden. Sich selbst aufzumachen, den
oder die richtige Therapeutin zu finden z.B. Da braucht’s die Aufmerksamkeit
der anderen. So gesehen, könnte man Brechts Gedicht abwandeln:
Der, der sich nicht lieben kann
Und der gar nicht merkt, dass er geliebt wird,
der kann dir gerade nicht sagen, dass er dich braucht.
Deshalb gebe auf ihn acht,
und begleite ihn auf seinem Weg,
auf dass der Regen aufhört.