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Hörmal | 06.08.2023 | 07:45 Uhr
Orangenschälen in der Weltgemeinschaft
Irgendwie bin ich ja schon etwas neidisch: Lissabon! Mondän, malerisch – und wahnsinnig lecker! Eine der schönsten Städte Europas! Und da findet gerade das größte Mega-Ereignis der katholischen Kirchen statt. Es ist Weltjugendtag – zum ersten Mal nach Corona. Und gleich beginnt der Abschlussgottesdienst mit Papst Franziskus. Hundertausende werden dabei sein – vielleicht ne Million? Allein aus Nordrheinwestfalen sind über 1.000 Jugendliche dabei.
Ich bin nicht dabei. Und das liegt nicht an Lissabon, oder am Papst. Es liegt daran, dass ich mir mit 44 Jahren eingestehen muss: Ich bin dafür zu alt. Aber: Ich bin wirklich froh, dass ich Weltjugendtage erlebt habe. Das hat auch was mit meinem Glauben gemacht - stimmt. Das hat mich aber vor allem aufgeweckt in meinem Weltbürger-Sein.
Meinen ersten Weltjugendtag hab ich 1997 in Paris erlebt, ein Jahr vor meinem Abitur. Für mich war das wie der Sprung von meinem deutschen Beckenrand in die katholische Weltgemeinschaft. Erst da hatte ich kapiert: Du bist ja gar nicht nur verbunden mit den Menschen in deiner Heimatgemeinde, in Kempen-Kamperlings, am Niederrhein. Du bist ja verbunden mit Menschen aus allen Kontinenten! So hab ich mit einem jungen Mann aus Guinea-Bissau bei meiner französischen Gastfamilie in Meaux gelebt, knapp eine Zugstunde von Paris. Paul sprach Portugiesisch, ich musste in Windeseile mein Französisch aufpolieren, um zu verstehen zu geben, dass ich morgens keinen Kaffee zum Frühstück trinke. Am Ende hatten wir uns prima verstanden – irgendwie. Das ist Weltgemeinschaft.
Stichwort Weltgemeinschaft. Ausgerechnet Orangen haben mir damals ne Lektion erteilt. Das hatten die in Paris nämlich genial geplant. Der Trick war: Man konnte nur zu zehnt das Essenspaket von der Ausgabe holen. Und so hatten sich spontan ganz bunte Ländermixe ergeben. Einmal gab es Orangen zum Nachtisch. Und was soll ich sagen: Ich hab an diesem Tag mindestens fünf verschiedene Arten kennen gelernt, eine Orange zu essen. Während ich, typisch deutsch, penibel die Schale abgepult hab und sich der Glibber unter meinen Fingernägeln gesammelt hatte, hatte ein Mexikaner die Orange geschickt auf links gedreht und das Fruchtfleisch abgenagt. Der Weltjugendtag hatte mich gelehrt: Es gibt ganz unterschiedliche Arten eine Orange zu essen. Und genau so gibt es unterschiedliche Arten, katholisch zu sein. Ich find das gut.
Weltjugendtage gibt es seit 1984. Einer ihrer „Erfinder“ stammt übrigens aus dem Kreis Olpe, Kardinal Paul Josef Cordes. Und von Anfang an waren die Weltjugendtage rekordverdächtig. Der Abschlussgottesdienst 1995 in Manila: Das war die größte Ansammlung von Menschen in der Geschichte[1]: Über vier Millionen. 2005, der Weltjugendtag in Köln: die größte Menschenansammlung hierzulande[2]. Ich will diese Rekorde nicht nennen, um auf „katholische dicke Hose“ zu machen. Ich denke da nur heute dran, weil genau vor 3 Jahren so etwas undenkbar gewesen wäre. So viele Menschen zusammen an einem Ort. Die Pandemie hatte das vielen von uns abgewöhnt, die Nähe anderer Menschen zu suchen. Und glauben Sie mir: Das ist mitunter auch seeehr eng auf einem Weltjugendtag.
Aber, meine Überzeugung: Damit wir die Zukunft auf unserem Planeten gestalten können, ist es enorm wichtig, mit Menschen aus anderen Ländern in Kontakt zu sein. Weltjugendtage sind katholische Laboratorien einer Weltgemeinschaft, die künftig noch mehr zusammenrücken sollte. Sonst wird auf der Erde gut Kirschen essen schwierig sein…Orangenschälen auch.[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Weltjugendtag_1995
[2] https://www.sueddeutsche.de/panorama/weltjugendtag-hoehepunkt-meiner-laufbahn-1.921582
