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Kirche in WDR 2 | 03.11.2023 | 05:55 Uhr
Wenn Lügen zu teuer werden
Wir lernen dazu: Flüchtlinge wollen nach Deutschland, um sich die Zähne machen zu lassen. Sozialhilfeempfänger machen Urlaub in der Karibik. Obdachlose kassieren Wohngeld. Mittelschicht ist, wer mit seinem Privatjet in die Ferien fliegt.
Das sind Headlines, die in den vergangenen Monaten aus Medien und Politik hängen geblieben sind. Was mal Donald Trump als Fake News gesellschaftsfähig gemacht hat, ist in Deutschland angekommen: Gezielte Desinformationen und Lügen, um öffentliche Meinung für eigene Interessen zu manipulieren.
Lügen sind nicht neu. Es gibt sie, solange es uns Menschen gibt. Wir alle haben schon mal gelogen. Außer mir. Das historisch Neue an der Verbreitung von Lügen ist: Sie gehen in den digitalen Medien viral. In Millisekunden sind sie in der Welt und nicht mehr zurückzuholen. Es kostet unvergleichbar mehr Energie, eine falsche Behauptung zu widerlegen. Das kann man bei der Hirnforschung oder dem Ex-Präsidenten der USA lernen. Mittlerweile nutzen Politiker*innen und Parteien diese erfolgreiche Strategie auch in Deutschland. Sie ist ein aggressiver Angriff auf Werte wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit. Aber auch gedacht als eine gezielte Destabilisierung von Demokratie und Sozialstaat.
Das Wort „Wahrheit“ klingt heute beinahe altmodisch. Die Suche nach ihr ist anstrengend und kostet Zeit. Wir müssen erklären, warum Menschen ihre Heimat verlassen, ihr Leben riskieren, und was wir damit zu tun haben. Wie es sein kann, dass Menschen, die ihr Leben lang in Deutschland gearbeitet haben, im Alter auf unterstützende Sozialhilfe angewiesen sind. Mit welchem Einkommen man hier noch zur Mittelschicht gehört, und welche Menschen sich einen Privatjet leisten. Das passt alles nicht in 1:30.
„Wahrheit“ hat nur noch eine Chance, wenn ihr Mehrwert unmittelbar einleuchtet. Wenn Lügen zu teuer werden. Moralische Appelle helfen wahrscheinlich wenig. Vielleicht aber kreative Ideen, um die Interessen hinter den Lügen zu entblößen. Wenn wir genauer versuchen herauszufinden, wer was aus welchem Interesse sagt. Wenn wir Quellen überprüfen und uns austauschen, was fake ist, was reine Meinungsmache und was wirklich wahr ist. Der Widerstand gegen die Fake News ist notwendig. Eine Orientierung an der Wahrheit braucht es, um unsere Welt besser zu verstehen.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
