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Kirche in WDR 2 | 15.11.2023 | 05:55 Uhr
Sushi
Fernsehzeit. Ich sehe einen Reisebericht über Japan. Da war ich noch nie. Schade. Ein faszinierendes Land. Der Bericht nimmt mich mit an interessante und spannende Orte. Und schließlich in die Küche eines Sushi-Restaurants. Dort steht ein Mann und schneidet Fisch. In hauchzarte, ganz exakt gleiche Scheiben. Voller Konzentration und Hingabe. Ich höre: Dieser Mann lässt sich traditionell zum Sushi-Meister ausbilden. Eine genaue Ausbildungszeit gibt es dabei nicht. Irgendetwas zwischen sechs und 15 Jahren. Und die ersten Monate, vielleicht Jahre sind dafür reserviert, zu lernen wie man Fisch schneidet. Ich kann das gar nicht begreifen: Warum macht einer das?
Irgendwie passt dieser Mann so gar nicht in die Welt, die ich kenne. Wo man immer überlegt: Wie komme ich möglichst schnell und effizient an mein Ziel? Und von da wieder weg?
Denn: Jedes Ziel ist eigentlich nur der Startpunkt für die Suche nach dem nächsten. Besseren. Größeren. Dem besseren Job. Dem schnelleren Auto. Dem noch günstigeren Handyvertrag. Diese Welt sagt mir: Was du jetzt hast, ist niemals genug. So, wie du bist, bist du nie wirklich richtig. Streng dich an, es noch perfekter zu machen. Und dann rennt man los. Trainiert und optimiert sich. Kommt aber nie wirklich an.
Und da steht dieser Mann da
in der Küche und schneidet Fisch. Das war’s. Sonst tut er nichts. Und er sieht
zufrieden aus. Das erinnert mich irgendwie an die alte Geschichte vom Anfang
der Welt. Die Bibel erzählt: Am Anfang setzt Gott den Menschen in einen
hübschen Garten. Den soll er bewirtschaften und auf ihn aufpassen. Er gibt ihm
also einen Ort, an den er gehört. Und eine Aufgabe, die ihn erfüllt. Und das
ist das Paradies. Vielleicht ist es ja das. Vielleicht hat dieser Mann etwas
gefunden, das viele andere vergeblich suchen. Und von dem manche gar nicht
wissen, dass es das gibt: Den einen Platz, an den er oder sie gehört. Wo man
sein kann, ohne woanders hin zu wollen. Wo es gut ist, wie es ist. Das
persönliche
Paradies, wenn man so will.
Und ich bin ein bisschen neidisch.
Wenn ich ehrlich bin. Ich denke: Vielleicht ist es hilfreich, sich selbst manchmal ein wenig auszubremsen. Mehr auf das zu achten, was ist. Und weniger auf das, was eventuell noch besser sein kann. Um den Ort zu finden, an dem ich einfach da sein darf. Wo es genug ist, wie es ist. Eins ist klar: Sushi machen scheidet für mich aus. Ich mag keinen Fisch. Aber von diesem Gefühl, angekommen zu sein, da würde ich mir gerne eine Scheibe abschneiden.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius