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Hörmal | 08.10.2023 | 07:45 Uhr
Brücken bauen
Die alte Rahmedetalbrücke war 453 Meter lang und ca. 75 Meter hoch. Nach dreijähriger Bauzeit wurde sie 1968 in Betrieb genommen und zierte damit den Abschnitt der Sauerlandlinie, den einige auch die „Königin der Autobahnen“ nennen. 53 Jahre hat sie nun ihren Dienst getan und hatte zuletzt ca. 64.000 Fahrzeuge täglich auf den Schultern getragen, davon 13.000 LKWs. Verkehrsplaner waren beim Baubeginn von einer deutlich geringeren Auslastung ausgegangen. Hinzu kommt, dass heutzutage die LKWs viel schwerer sind. Dadurch belasten sie die Brückenkonstruktion viel mehr als früher geplant. Gut also, wenn es mit der neuen Brücke zu einer hoffentlich langlebigeren Lösung kommen wird.
Stichwort langlebige Brücke. In diesem Sommer habe ich mir einen Wunsch erfüllt: Ich habe mir den Pont du Gard angeschaut, also die berühmteste Brücke Südfrankreichs, die heute noch über den Fluss Gardon führt. Die ist zwar nur 275 Meter lang und knapp 50 Meter hoch, steht aber immer noch und wurde vor fast 2000 Jahren von den Römern erbaut. Sie diente zunächst nicht dazu, Fuhrwerken einen sicheren Übergang über den Fluss zu gewähren, sondern war Teil einer 50 Kilometer langen Wasserleitung. So hatten die Römer die Stadt Nîmes mit Trinkwasser versorgt: Täglich kamen so etwa 20.000 Kubikmeter frisches Wasser in die Stadt. Und was mich noch mehr überrascht hat, die Brücke als Wasserleitung funktionierte etwa 800 Jahre lang. Das nenne ich nachhaltig, und es zeugt von einem hervorragenden Können der damaligen Brückenbauer und dem Bewusstsein für das, was dem Leben dient: Wasser für die Menschen. Kein Wunder, dass der Begriff „Brückenbauer“ auch religiös verwandt wurde und wird. Die Römer nannten nämlich so ihren obersten Priester: „Pontifex Maximus“. Und damit verwiesen sie darauf, wie nötig im übertragenen Sinne der Brückenbau zu den Göttern ist, die für sie lebenswichtig waren. Die Christen haben später den Titel dann für den Papst übernommen. Immerhin: Die Idee vom Brückenbauer ist ja durchaus symbolisch geladen. Das wusste jedenfalls auch eine Künstlergruppe, die nach der Sperrung der Rahmedetalbrücke eine gigantische Kunstaktion gestartet hat. Sie hat nämlich auf die Fahrbahn in riesigen Buchstaben ein für mich prophetisches Wort geschrieben, das für jeden Menschen gilt, der dem Leben dienen will: „Lasst uns Brücken bauen“. Oder – um es anders zu formulieren: Jeder kann ein Pontifex sein.