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Kirche in WDR 2 | 25.10.2023 | 05:55 Uhr
Ehrenmensch
Und je mehr ich überlege, wo ich Ehrgeiz besonders gut finde, desto mehr merke ich, dass mir das Ziel wichtig ist, das verfolgt wird. Ehrgeiz, der nur dazu dient, das eigene Ego zu füttern, finde ich weniger spannend.
Apropos spannend: Ehrgeiz ist ja ein interessantes Wort. Mit Ehre geizen wäre wohl sowas wie „anderen ihre Erfolge nicht gönnen.“ Wer so lebt, ist ja wohl eher ein unangenehmer Zeitgenosse, finde ich. Oder auch „sich die eigenen Erfolge nicht ehren können.“ Total schade. Besser wäre doch: „Ehre, wem Ehre gebührt!“. Sowas wie Ehrgroßzügigkeit. Für sich und andere.
Und so haben es bei
der Leichtathletik-WM im August auch die beiden Stabhochspringerinnen Katie
Moon und und Nina Kennedy gehalten. Sie haben sich einen spektakulären
Wettkampf geliefert. Im Finale haben beide die 4,90 Meter-Marke übersprungen.
Jahresweltbestleistung. Was für ein Erfolg! Danach scheiterten beide dreimal an
der 4,95 Meter-Marke. Normalerweise hätte es nun ein Stechen gegeben, damit
eine als Siegerin hervorgeht. Die zwei haben es anders gelöst. Sie sich
angesehen, genickt
und wussten beide:
Wir teilen uns den ersten Platz. Gold für dich und für mich.
Und genau das nenne ich gesunden Ehrgeiz. Zwei Frauen, die unendlich viel trainieren, die sich voll in den Wettkampf reinhängen. Und dann feststellen: Wie es aussieht, ist heute keine von uns die Bessere. Sondern wir sind hier heute die zwei Besten!
Das hat mich richtig berührt. Weil hier Ehrgeiz in Kombination mit Fairness daherkommt. Eine gute Kombi. Genauso wie Ehrgeiz und Bescheidenheit. Demut ist auch ein guter Ehrgeizbegleiter und Teamfähigkeit.
Womöglich ist es mit Ehrgeiz ein bisschen wie mit Salz: Für sich allein kaum auszuhalten. Verbunden mit anderen guten Zutaten, verändert es alles.