Beiträge auf: wdr2
Hörmal | 17.12.2023 | 07:45 Uhr
Wen Jesus so alles liebt
Und ich bin nicht aufgeregt,
weil ich um 10 Uhr ans Klavier und ans Mikro muss, sondern weil wir da ein Lied
singen. Und als wir das zusammen geprobt haben, meinte eine von uns: „Ob wir
danach jemals wieder in Agnes spielen dürfen?“ Nun, das Lied ist kein
klassisches Adventslied. Natürlich spielen wir auch „Macht hoch die Tür“ und
„Tochter Zion“. Aber wir spielen eben auch „Gosple Night at the strip club“, so
heißt dieser Indie-Song. Eine schöne Ballade. Und da heißt es im Refrain:
„Halleluja, Jesus loves the drunkards and the whores and the queers”.
Also: “Jesus mag die Säufer, die Huren und Queeren“.
Und wir sind halt etwas aufgeregt, wie das so aufgenommen wird in einem Familien-Advents-Gottesdienst. Und dass ich da so aufgeregt bin, das ist doch irgendwie komisch. Denn inhaltlich ist da nix falsch dran. Wenn Jesus alle liebt, dann natürlich auch die Leute, um die es in dem Song geht. Aber irgendwie klingt das verrucht. Passt das in eine Kirche?
Ich bin mir recht sicher, dass Jesus in dieser Beziehung nicht päpstlicher gewesen wäre als der Papst. Auch er musste sich Kritik darüber anhören, mit wem er so alles unterwegs war. Im Lukasevangelium sagt er „Der Menschensohn ist gekommen, ißt und trinkt; so sagt ihr: Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!“ (Lk 7,34)
Also: was ist das Problem, wenn der Gottessohn selbst kein Problem hatte mit Menschen, die nicht zum Mainstream gehören? Manchmal wundere ich mich, wie spießig meine Religion ist, wo mein Religionsgründer es so gar nicht war.
Übrigens: Das mit dem „Jesus liebt die Säufer, die Huren und Queeren“, das verfolgt mich in diesem Advent noch aus einem anderen Grund. Hier in Köln gibt es eine ganz tolle Krippe. Die finden Sie in der Kirche Maria Lyskirchen, am Schokoladenmuseum. Seit 25 Jahren zeigt diese Milieu-Krippe die Weihnachtsgeschichte im alten Kölner Hafenviertel[1]. Und in dieser Krippe steht auch eine Prostituierte beim Jesuskind, eine Junkie und seit diesem Jahr auch ein erkennbar schwuler Mann, in schwerer Ledermontur. Alles Menschen, die in diesem Viertel anzutreffen sind, oder anzutreffen waren. Darüber schwebt der Engel und sagt auch Kölsch: „Üch eß der Heiland jebore“ – also: Euch ist der Heiland geboren. Euch Flüchtlingen, Drogenabhängigen, Euch Menschen, die an den Rand gedrängt werden.
Wenn Sie diese Krippe einmal sehen wollen, aber nicht gerade um die Ecke von Köln wohnen, dann können Sie heute Nachmittag einschalten in der ARD. Da wird die Milieu-Krippe zu sehen sein in der Sendung „Lieder zum Advent“. Seit ich in Köln lebe, versuche ich jedes Jahr mindestens einmal zur Milieu-Krippe zu kommen. Um mich daran zu erinnern, wen Jesus so alles liebt.
[1] https://www.krippe-online.de/
