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Kirche in WDR 2 | 18.12.2023 | 05:55 Uhr

Die ganze Welt – eine einzige Krippe

Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende leider auch schon wieder vorbei. Tja. Aber am kommenden Wochenende, da beginnt ja das Weihnachtsfest. Und vielleicht haben Sie ja auch schon Ihre Weihnachtskrippe aus dem Keller oder vom Dachboden geholt. Als ich klein war, da war das für uns Kinder ein jährliches feierliches Ritual. Ein paar Tage vor dem heiligen Abend stand der Karton mit den Figuren auf dem Tisch. Und dann haben wir eine Figur nach der andern aus dem Papier ausgewickelt: Den Hirten mit der Flöte, den König mit seinem grünen Gewand, den Hirtenjungen mit dem Lamm auf den Armen. Und natürlich Josef und Maria und das Kind in der Futterkrippe. Ganz alte Figuren waren das, manche hier und da angedötscht und voller Patina. Krippen sind ja eine tolle Erfindung. Denn ich finde, sie helfen dabei, einen unglaublichen gewaltigen Gedanken irgendwie begreifbar zu machen: Gott ist Mensch geworden. Und auch wenn ich heute vor einer Krippe stehe, dann hilft sie mir dabei zu verstehen, dass ich Gott nur in der Welt finden kann.

Bei diesem Gedanken hilft mir in diesem Jahr wieder die Veedelskrippe. Sie steht bis weit ins neue Jahr hinein bei uns in Köln vor der Agneskirche. Auch in diesem Jahr haben wir wieder kleine Tonklumpen an die Kinder und Erwachsenen ausgegeben. Und die können daheim aus dem Ton Figuren modellieren. Und dann stellen sie die einfach in die leere Krippe, die jeden Tag voller und voller wird. In den letzten Jahren hat es schon alle möglichen wundervollen Figuren gegeben: Löwen und Esel, Holzfäller, einen Astronauten, einen Rennfahrer, einen König im Rollstuhl, viele, viele Kinder und im letzten Jahr sogar ein paar wundervolle Fische, die den Weg in die Krippe gefunden haben. Ich bin leider nicht so gut im Modellieren. Aber wenn ich es könnte, dann wüsste ich, wen ich in die Krippe stellen würde: zum Beispiel den Anästhesisten, der mir vor meiner OP neulich meine Angst genommen hat, so dass ich auf einmal ganz ruhig wurde. Die Lehrerinnen und Lehrer aus der Förderschule von nebenan, die ich wegen ihrer Geduld so sehr bewundere, mit der sie den Kindern begegnen. Natürlich den Mann, der mir nach dem Martinszug in der Agneskirche geschrieben hat, er werde Ezzhadin, der ja aus Syrien geflüchtet ist und im Martinsspiel den heiligen Martin dargestellt hat bis auf weiteres pro Monat mit hundert Euro unterstützen. Unglaublich, oder? Ich würde Jürgen in die Krippe stellen, der jeden Morgen vor dem DM-Markt mit seinem Kaffeebecher um ein paar Münzen bittet und der für alle immer ein gutes Wort und einen guten Wunsch für den Tag hat. Die Menschen von Hof Buitenland und all die Helferinnen und Helfer in den Tierheimen, die sich um die Hunde und Katzen kümmern, die kein Mensch mehr will.

Franz Meurer, der quasi mein Lehrer war und der hier im Radio ja freitags von seinen Gedanken und seiner Arbeit erzählt, der hat diesen Gedanken mal unnachahmlich auf den Punkt gebracht. Einmal hat ihm jemand gesagt, er fände es schwer, in dieser Welt Gott zu begegnen. Da hat Franz entgegnet: „Ich brauche nur von Köln-Vingst nach Köln-Höhenberg zu gehen. Dann begegnet er mir so oft, dass ich am Schluss sage: Lieber Gott, gehst du mir schon wieder auf den Keks?“ Die ganze Welt – eine einzige Krippe. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Und nicht nur an diesem Montagmorgen.