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Hörmal | 28.04.2024 | 07:45 Uhr
Was bedeutet es dir?
Wieder
mal ein Abend in unserer kleinen Gefängnis- Kirchengruppe. Fünfzehn Männer
sitzen da: Christen aus aller Herren Länder. Muslime auch. Und zwei, die mit
Religion eigentlich gar nichts am Hut haben. Und trotzdem mitmachen.
Seltsamerweise. An diesem Abend ist unser Thema: „Woran glaubst Du?“ Und alle
erzählen: Von zuhause. Und von den Riten und religiösen Traditionen, die es
dort so gibt. In Serbien, Rumänien, Ghana, Bielefeld oder wo auch immer sie
herkommen. Vieles klingt sehr fremd, manches regelrecht eigenartig: Ich
erfahre, dass es in manchen Ecken der Welt strenge religiöse Regeln darüber
gibt, mit welchem Fuß man zuerst einen Raum betreten muss. Oder wie man
sicherstellt, dass nach einer Beerdigung der Leichnam nicht als unheimlicher
Wiedergänger zu den Lebenden zurückkehrt. Und dass es christliche Pflicht ist,
als Mann die Haare kurz und den Bart lang zu tragen. Eins wird sehr schnell
deutlich: Was da an Glaubensvorstellungen aufeinanderprallt, das bekommt man
nicht unter einen Hut. Selbst dann nicht, wenn man sich auf dasselbe heilige
Buch beruft. Was für den einen eine heilige Pflicht ist, ist für den anderen
völlig nebensächlich. Oder sogar streng verboten. „Seht ihr“, sagen die zwei
Atheisten in der Runde, „so bringen Religionen die Menschen gegeneinander auf.“
Und ich denke: Irgendwie haben sie da einen Punkt. Aber dann dreht sich das
Thema. Es geht nicht mehr um traditionelle Ansichten oder religiöse Bräuche. Es
wird persönlich: „Was ist mir an
meinem Glauben wichtig?“ Und: In diesem Moment werden sich alle plötzlich
einig. Christen von weit weg, Christen von hier. Katholiken, Protestanten,
Orthodoxe. Muslime. Sie alle erzählen von Hoffnung und Trost. Es geht ihnen um
Halt im Leben. Und immer wieder um Nächstenliebe und Frieden. Und da stimmen
selbst die Atheisten ein. Auch wenn sie das Wort „Gott“ dabei nicht verwenden.
Das fasziniert mich. Und ich denke: „Wahnsinn, was dabei herauskommen kann,
wenn wir uns einfach mal zuhören. Über die Grenzen von Traditionen und
Religionen hinweg. Dann entdecken wir plötzlich, dass Menschen auf ganz
unterschiedliche Weise glauben können und doch die gleiche Sehnsucht teilen.
Dass Menschen durch religiöse Lehren getrennt, aber durch ihre persönlichen
Glaubenserfahrungen miteinander verbunden sein können.“ Vielleicht ist das
gemeint, wenn in der Bibel steht: (Röm 1, 19-20, gekürzt zitiert) „Was man von
Gott erkennen kann, ist unter allen Menschen offenbar.“? Wenn das stimmt, dann
könnte man doch der Welt eigentlich die ganzen Diskussionen ersparen darüber,
wer denn nun heiliger und beim lieben Gott beliebter ist. Und stattdessen
gemeinsam nach einem guten Weg für das Leben suchen. Nur so als Idee.
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth