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Kirche in WDR 2 | 10.04.2024 | 05:55 Uhr
Zeit für Wichtiges
Seitdem höre ich anders auf die Feuerwehrgeschichten um mich herum. Höre von Ehefrauen, dass sie einerseits so großartig finden, dass ihr Mann das macht und gleichzeitig jedes Mal ein mulmiges Gefühl haben, wenn ein Notruf reinkommt. Höre von ehrenamtlichen Feuerwehrleuten, dass ihnen manche Einsätze noch lange nachhängen. Davon, dass Silvester für Feuerwehrleute immer heißt, in Bereitschaft zu sein – Böllerei sei Dank. Und von Nachbarn, die noch Jahre später froh und beeindruckt sind, dass die Feuerwehr so schnell war und so das Schlimmste verhindert hat, als die Schule mitten im Wohngebiet brannte.
Und ich denke: Wie mutig, wie wichtig ist das bitte, dass es Menschen gibt, die zu so einem Ehrenamt bereit sind? Nicht nur hier, sondern allerorts: Ohne Ehrenamt geht’s nicht. Bei der Feuerwehr und an vielen anderen Stellen.
Gleichzeitig stellen immer mehr Vereine, Verbände und Initiativen fest: Das mit dem ehrenamtlichen Engagement wird für viele Menschen immer schwieriger: Es fehlt an Zeit. Wenn in einer Familie die Erwachsenen vollzeitbeschäftigt sind und die Kinder täglich ebenfalls acht Stunden Schule haben, hinzu noch all das kommt, was zum Leben gehört: kochen, putzen, Sport machen, Arzttermine, sich um Angehörige kümmern – und so weiter – dann wird das für immer mehr Menschen eng, darüber hinaus ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen.
Deshalb glaube ich: wir müssen neu über Zeit nachdenken. Darüber, dass alle Menschen Zeit für das finden, was sie und wir als Gesellschaft zum Leben brauchen. Derzeit lesen wir überall davon, dass immer mehr Menschen eine echte 4-Tage-Woche fordern, eine 32-Stunden-Woche als Vollzeitstelle, bei vollem Gehalt und vollem Urlaubsanspruch. Und ich höre immer öfter von Unternehmen, die das Probieren. Mein Frisörsalon zum Beispiel. Der hat jetzt samstags zu. Und dann gibt es in Münster seit kurzem ein Forscherteam, das zusammen mit vielen ganz unterschiedlichen Unternehmen die Idee der 4-Tage-Woche probiert und auswertet. Und ich hoffe sehr, dass sich zeigt, was sich auch schon bei solchen Versuchen in anderen Ländern gezeigt hat: Die Menschen sind gesünder. Weder Arbeit noch Gewinn leiden. Und alle haben mehr Zeit für sich, ihre Familie, Freunde, Hobbies. Und eben auch für das, was Ehrenamt braucht – Von brennenden Häusern über Lebensmitteltafeln bis hin zu Kindern, die Fußball spielen wollen und dazu Trainer, Schiedsrichterinnen und obendrein Zuschauer brauchen. Letztens habe ich von einer Vierjährigen gehört, die später mal Königin oder Feuerwehrfrau werden möchte. Und ich wünsche ihr, dass sie, wenn es so weit ist, beides locker unter einen Hut kriegt. Zumindest an der Zeit soll es nicht scheitern.