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Kirche in WDR 2 | 22.04.2024 | 05:55 Uhr
Nicht nur an einem Montagmorgen
Ich gebe zu: Ich habe immer noch nicht genau verstanden, wie das technisch genau geht: dass das, was ich Ihnen an einem völlig anderen Ort erzähle, jetzt bei Ihnen im Ohr landet, da wo Sie gerade sind. Für mich war das Radio jedenfalls immer schon ein faszinierendes Mysterium. Und ich habe es als Kind schon geliebt. Zum Beispiel den Schulfunk! Dort konnte man sogar Diktate üben. Ein Sprecher hat einen Text vorgelesen, ich habe ihn auf ein Blatt geschrieben und anschließend mit der Post zum WDR geschickt. Ein paar Wochen später ist das Blatt korrigiert zurückgekommen. Unfassbar herrliche Zeiten.
Mein erstes eigenes Kofferradio habe ich zur Erstkommunion geschenkt bekommen. Wie habe ich es geliebt! Ich hab es abends mit ins Bett genommen und heimlich unter der Bettdecke Radio gehört. Mel Sandocks Hitparade. Und vor allem den Krimi am Sonntag. Und samstags beim Autowaschen ist Sport und Musik gelaufen. Mit Kurt Brumme, Dietmar Schott oder Werner Labriga aus dem Studio und Jochen Hageleit oder Klaus Peter Doetsch aus dem Stadion. „Wir melden uns vom Abgrund!“ hat Günter Koch in mein Ohr geschrien. Als der 1. FC Nürnberg dann doch noch am letzten Spieltag abgestiegen ist. In den 90er Jahren muss das gewesen sein. Das Radio, eine wahre Wundermaschine.
Kein Wunder also, dass auch die Kirchen im Radio senden. Und das schon seit 100 Jahren! Der 18. April 1924 gilt als der Tag, an dem zum ersten Mal eine Verkündigungssendung über den Äther gelaufen ist. So wie die, die Sie gerade hier hören. 100 Jahre Geschichten von Glaube, Hoffnung und viel Liebe. Na klar, in den ersten Jahren sicher noch mit viel Geknister, dem einen oder anderem kirchlichen Pathos und übertriebenem Sendungsbewusstsein. Ich empfinde es jedenfalls als ein großes Geschenk, alle zwei Wochen montags bei Ihnen zu Gast zu sein. Wenn das Wochenende rum ist und die Woche wieder beginnt. Dann versuche ich mir vorzustellen, wo Sie gerade sind. Wie es Ihnen wohl geht. Ob Ihr Herz gerade leicht ist oder schwer. Was Sie heute an Aufgaben erwartet. Ob da womöglich etwas dabei ist, was Ihr Leben vielleicht heute auf den Kopf stellen oder ändern wird.
„Ich bin der ich bin da.“ Die Bibel erzählt in einer Geschichte mal, wie Gott seinen Namen verrät. „Ich bin der ich bin da“ antwortet der. Und zwar egal, ob Ihr Herz da draußen schwer oder leicht ist. Das ist manchmal schwer zu glauben. Mit der Zahnbürste im Mund. Oder schlaftrunken mit der Kaffeetasse in der Hand. Oder wenn der Abgrund droht, wie damals bei Günter Koch im Stadion. Dann ist es gut, wenn ein anderer davon erzählt. Dass Gott da ist. Eine gute Freundin. Einer, der merkt, was los ist. Oder eben der Mensch im Radio. Seit 100 Jahren. Jeden Tag. Und nicht nur an einem Montagmorgen.