Beiträge auf: wdr2
Hörmal | 05.05.2024 | 07:45 Uhr
70 Jahre Wort zum Sonntag
Inzwischen hat sich viel verändert in der Medienwelt. Aber das „Wort zum Sonntag“ gibt es immer noch. Es ist nach der Tagesschau das zweitälteste Format der ARD und wird immer noch Samstagabends von etwa 1,2 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen nach den Tagesthemen. Über 3600 Sendungen hat das Format auf dem Buckel, und über 300 Sprecherinnen und Sprecher haben sich daran beteiligt, katholische wie evangelische. Zu ihnen gehören Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt genauso wie der evangelische Theologe und Schriftsteller Jörg Zink, um nur einige bekannte zu nennen. Aktuelle Ereignisse wie der „Eurovision Song Contest“ wurden und werden da genauso behandelt wie existentielle Themen von Liebe und Hass, Freude und Leid. Immer ging und geht es darum, menschliches Leben in seiner ganzen Vielfalt zu deuten, und zwar vor dem Hintergrund: Es gibt einen Gott, dem etwas an den Menschen liegt, um es einmal ganz allgemein zu formulieren.
Zugegeben, manchmal kam die Botschaft etwas hölzern daher. Und so wundert es auch nicht, dass das Wort zum Sonntag immer wieder Mal verulkt wurde. Unvergesslich für mich Otto Walkes mit: „Theo, wir fahr‘n nach Lodz!“ Da fragt Otto, als ob er nicht richtig verstanden hätte: „Wer sind diese vier?“ Und er assoziiert das Wort „Theo“ mit „Theologie“ genauso wie mit „Theodorant“ und „Tee oder Kaffee“. Ich war damals noch Schüler, als Deutschlands bekanntester Komiker die Kirchensendung durch den Kakao zog. Und ich fand es witzig.
Aber Spaß beiseite. Neben dem „Wort zum Sonntag“ gibt es auch im Radio Sendeplätze der Kirchen für sogenannte Verkündigungsformate, und das schon seit 100 Jahren, was dieses Jahr ebenfalls gefeiert wird. Ich spreche ja jetzt auf genau so einem Sendeplatz. Und ich weiß: den einen ist das zu viel Kirche und Religion im Rundfunk und den anderen zu wenig. Die einen empfinden das als unaufgeklärtes, frommes Geschwafel, andere wollen mehr Gottesbezug und christlich, biblisches Bekenntnis, und wieder andere empfinden Kirche und Religion im Radio als Bereicherung ihres Tagesablaufs. Man wird es nie allen recht machen. Aber vielleicht ist so eine religiöse Unterbrechung wie jetzt doch gar nicht so verkehrt, regt hoffentlich zum Nachdenken an und regt nicht bloß auf. Damals, beim ersten Wort zum Sonntag vor 70 Jahren zum Beispiel, plädierte Pfarrer Walter Dittmann angesichts der Möglichkeiten, die Rundfunk und Fernsehen bieten, genauer zu hören und zu sehen. Und er schloss mit dem Satz: „Wenn uns die Bilder und Klänge unserer Welt nicht nur Mittel der Zerstreuung und des Genusses sind, sondern uns auch fordern und aufrufen, wenn wir ein Auge haben für ein gequältes Menschengesicht und ein Ohr für eine stille Klage, dann haben wir sehen und hören gelernt.“[1] Ich meine: Genau das gilt auch heute noch.
[1] Zitiert nach: https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/wort-zum-sonntag/geschichte/das-erste-wort-zum-sonntag-100.html.