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Kirche in WDR 2 | 11.06.2024 | 05:55 Uhr
Awareness
"Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit"- ein typischer Konfirmationsspruch. Nicht meiner, aber dennoch ist er mir sehr vertraut. Der Vers aus dem zweiten Timotheusbrief gefällt mir. Vielleicht weil er mich daran erinnert, dass Gott* uns mit einem Geist der Stärke, der Liebe und der Besonnenheit ausgestattet hat. Diese Vorstellung tut mir innerlich gut.
In diesem Satz schwingt so etwas mit wie „Awareness“. Awareness bedeutet, sich selbst, der eigenen Umgebung und den Handlungen bewusst zu sein. Das ist nicht immer leicht. Denn überall lauern Ablenkungen. Doch wenn ich mich konzentriere und es wirklich will, kann ich mein Bewusstsein, meine Awareness, schulen. Durch Meditation, im Gebet, beim Spazieren im Wald oder beim Durchatmen, einfach so. Dadurch komme ich in eine tiefere Verbindung mit mir selbst und mit meiner Umgebung. Beziehungen zu anderen Menschen vertiefen sich. Wenn ich präsent und aufmerksam bin, kann ich besser auf meine eigenen Bedürfnisse achten. Dann nehme ich die Gefühle anderer besser wahr, kann bewusster kommunizieren und mein eigenes Handeln überdenken.
Die Evangelische Kirche von Westfalen hat sich gerade auf einen solchen Weg begeben und bei der Landessynode – dem Kirchenparlament – im Mai das erste Mal ein Awareness-Konzept ausprobiert. Das bedeutet: Alle Anwesenden verabreden, dass sie darauf achten wollen, niemanden zu diskriminieren, sorgsam mit der Redezeit umzugehen und Grenzen zu wahren. Falls es doch zu verbalen Verletzungen oder Grenzüberschreitungen kommt, steht ein Awareness-Team zur Verfügung. Dieses nimmt Beobachtungen, Anmerkungen, Verbesserungsvorschläge auf, reflektiert und berät sie im Anschluss mit der Kirchenleitung und leitet Veränderungen ein. Das ist neu. Ein echtes Experiment. Mit dem Ziel, bewusste oder unbewusste Diskriminierungen abzubauen und achtsamer miteinander umzugehen – auch vor dem Hintergrund der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt.
"Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“. Für mich ist das die christliche Erinnerung an unsere „Awareness“. Wenn wir unseren Geist ausrichten auf die Liebe und die Besonnenheit, können wir Gott* Raum geben. Ganz bewusst und in jedem Augenblick.
Quellen:
FUMA_Awarnes_Leitfaden_RZ_Okt2022_Digital.pdf (gender-nrw.de)
Landessynode berät über ein „Awareness-Konzept“ :: Evangelisch in Westfalen - EKvW (evangelisch-in-westfalen.de)
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius