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Choralandacht | 20.09.2014 | 07:50 Uhr

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Werde munter, mein Gemüte (eg 475)

Musik 1 (Choral, 1. Strophe)

1. Werde munter, mein Gemüte, und ihr Sinne, geht herfür,…

Autor: Johann Sebastian Bach, ein Kantatensatz: liebe Hörerin, lieber Hörer – für viele wohlvertraute Musik. Freilich sonst mit anderem Text: "Jesus bleibet meine Freude" heißt es eigentlich bei Bach - aber die Jugendkantorei des Wurzener Doms singt: "Werde munter, meine Gemüte". Bach hatte einen älteren Choral neu bearbeitet, die Melodie kunstreich umspielt und einen anderen Text hinzugenommen. Zugrunde lag eine schlichte Choralmelodie des Hamburger Kantors Johannes Schop. Dessen bester Freund, Pastor Johann Rist, hatte die ursprünglichen Worte gedichtet.

Musik 2 (Orgel)

Sprecherin (overvoice):

1. Werde munter, mein Gemüte,/ und ihr Sinne, geht herfür,/ dass ihr preiset Gottes Güte,/ die er hat getan an mir,/ da er mich den ganzen Tag/ vor so mancher schweren Plag,/ vor Betrübnis, Schand und Schaden/ treu behütet hat in Gnaden.

Autor: "Werde munter, mein Gemüte"- was so beginnt, ist kein Morgenlied, sondern eins für den Abend! Kurz vor dem Einschlafen will Johann Rist noch einmal richtig wach sein: damit er Gott dafür danken kann, dass der ihn den ganzen Tag behütet hat. Und jetzt ist Samstagmorgen, kurz vor 8. Unpassend? Sonnabend, letzter Tag der Woche: Die Verse von Rist ermuntern mich, die ganze vergangene Woche durchzumustern: was hat mir gut getan, wo fühlte ich mich geborgen? Gott sei Dank, wenn mir dann etwas einfällt. Und warum nicht noch weiter zurückschauen? 1641, als Johann Rist sein Lied mit der Melodie von Freund Johannes Schop zum ersten Mal drucken ließ, war er 34 Jahre alt, da konnte er wahrscheinlich auf sein ganzes bisheriges Leben dankbar zurückblicken.

Musik 2 (Orgel)

Autor: Schon als junger Mann hatte Rist im ländlichen Wedel, schön an der Elbe vor den Toren Hamburgs gelegen, die Pfarrstelle seines Lebens gefunden. Zwei große Gärten nannte er sein Eigen, nicht nur für Rosen - auch für allerlei Heilpflanzen, die er sehr kundig anzuwenden wusste. Ein dichtender, musizierender Seelsorger war er, der sich eben auch um das körperliche Wohl seiner Leute kümmern konnte. Was manchen näher kommen ließ, der sonst der Kirche fern stand. Überhaupt waren sein Haus und seine Gärten beliebte Treffpunkte. Und mittendrin das Sonnenkind Rist, dem scheinbar alles gelang.

Was mich bei ihm besonders berührt: 700 geistliche Lieder hat Rist gedichtet - und ich kenne keins, in dem er nicht auch seine und der Menschen Schattenseiten anspricht. So eine Strophe gibt es auch in unserem Abendlied. Und diese Strophe hat Johann Sebastian Bach so bewegt, dass er sie in seine Matthäus-Passion aufgenommen hat:

Musik 3 (Choral, Strophe 5)

Bin ich gleich von dir gewichen,/ stell ich mich doch wieder ein;/hat uns doch dein Sohn verglichen/ durch sein Angst und Todespein./ Ich verleugne nicht die Schuld;aber deine Gnad und Huld/ ist viel größer als die Sünde,/die ich stets in mir befinde.

Sprecherin (overvoice): Bin ich gleich von dir gewichen,/ stell ich mich doch wieder ein;/hat uns doch dein Sohn verglichen/ durch sein Angst und Todespein./ Ich verleugne nicht die Schuld;

aber deine Gnad und Huld/ ist viel größer als die Sünde,/die ich stets in mir befinde.

Autor: Mitten in der Matthäuspassion: Petrus hat den gefangenen Jesus dreimal verleugnet und ist bitterlich weinend weggegangen. An dieser Stelle braucht Bach die Strophe von Rist. Die Botschaft: Niemand muss Schuld leugnen, weil Gott sie in Kontakt bringt mit seiner „Gnad und Huld“. Darüber kann sich Johann Rist in vielen seiner Lieder freuen. Und er kann daraus ganz konkrete Konsequenzen ziehen. Das tut er in unserem Abendlied sofort in der nächsten Strophe. Er bittet darin um Gottes Segen und Schutz, aber nicht nur für sich:

Musik 2 (Orgel)

Sprecherin (overvoice): Lass mich diese Nacht empfinden/ eine sanft und süße Ruh,/ alles Übel lass verschwinden,/ decke mich mit Segen zu./ Leib und Seele, Mut und Blut,/ Weib und Kinder, Hab und Gut,/ Freunde, Feind und Hausgenossen/ sein in deinen Schutz geschlossen.

Autor: Zwischen Freunden und Hausgenossen die eine kleine Silbe: Feind! Auch für den Gottes Schutz! "Gott mit uns" stand auf den Koppelschlössern der Soldaten - vor 100 Jahren etwa im I. Weltkrieg. Und Rist wagt zu singen "Gott auch mit dem Feind". Gottes Huld, größer als Schuld: Rist schließt sie für niemanden aus - auch nicht für den Feind. Durch diese kleine Silbe, wie hineingeschmuggelt in die lange Gebetsliste, nimmt Rist ein Wort von Jesus aus der Bergpredigt auf:

Sprecher: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.

Autor: Warum kann Rist so dichten? Weil er in seinem idyllischen Wedel gar keine richtige "Feindberührung" hatte? Es stimmt: als Rist das Buch mit diesem Lied zum ersten Mal herausgab, da hatte der 30jährige Krieg schon zwanzig Jahre sein blühendes Paradies verschont. Aber 1643 zerstörten feindliche Truppen alles, verwüsteten seine Gärten und er verlor sein Hab und Gut - wie er sagte "bis zur letzten Hühnerfeder". Und 15 Jahre später, in einem der vielen Nachfolgekriege, geschah ihm das Gleiche noch einmal. Nur das nackte Leben konnten er und die Seinen in Hamburgs Schutzmauern retten. Bemerkenswert ist nun: Rist hat sein Liederbuch immer wieder neu herausgegeben, auch unmittelbar nach den beiden Katastrophen. Viele Stellen hat er geändert, die Silbe "Feind" in dieser Strophe blieb drin.

Was gab ihm dazu die Kraft? Der Predigttext für den morgigen Sonntag stammt aus dem Schlusskapitel des ersten Thessalonicher-Briefes. Für mich wird hier die Kraftquelle für die Rist-Strophe benannt.

Sprecher: Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann… Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib.

Autor: Ich deute es so: Der Gott des Friedens hat Johann Rist geheiligt. Durch und durch. Deswegen blieb die Silbe "Feind" drin. Konkrete Zeichen hat Rist gebraucht, um nicht zu erstarren, im Herzen beweglich zu bleiben. Große und kleine Zeichen, die ihm heilig waren. Zum Beispiel einen Freund in Hamburg wie Johannes Schop, der zum Kriegsflüchtling Rist sagt: Mein Haus ist dein Haus. Oder einfach eine Rose: mit der ging Rist nach finsteren Erlebnissen einmal auf die Kanzel und ließ sich von ihr bei der Predigt helfen. Oder die Musik, ohne deren Trost - das hat er oft bekannt - er nicht durchgekommen wäre: Traurige Musik, wenn dir Schweres widerfahren ist; und eine Musik, die dran ist, wenn du dankbar zurückschaust – auf einen ganzen Tag, vielleicht sogar auf eine ganze Woche – und sagen kannst: Ich erinnere mich an kleine und große Zeichen für Gottes Güte, der mich "treu behütet hat in Gnaden".

Musik 1 (Choral, aus Strophe 1)

…da er mich den ganzen Tag / vor so mancher schweren Plag, / vor Betrübnis, Schand und Schaden / treu behütet hat in Gnaden.

Musik 1

Titel: Werde munter mein Gemüte

CD: Abend ward, bald kommt die Nacht

Track: 5

Komponist: Johann Sebastian Bach

Text: Johann Rist

Interpret/Chor: Jugendkantorei des Wurzener Domes, Küttler, Detlev

Leitung: Dickert, Johannes

LC-Nr.: 03722

Label: Querstand

Musik 2

Titel: Werde munter mein Gemüte

CD-Name: Die Orgeln von Gottfried Silbermann, Vol. 3:

Track: 13 (Choral mit vier Variationen über "Werde munter, mein Gemüte")

Komponist: Johann Pachelbel

Interpret: Jean Ferrard an den Silbermann-Orgeln in Rötha/St. Georgen, Ringethal, Lebusa. Fraureuth.

LC-Nr.: 03722

Label: Querstand

Musik 3

Titel: Werde munter, mein Gemüte, Matthäus Passion BWV 244

CD-Name: Bach-Edition Volume 23 Choräe/Chorales

Track: 57

Komponist: Johann Sebastian Bach

Interpret: Nordic Chamber Choir, Soloists of the Freiburger Barockorchester; Nicol

Matt (conductor)

LC-Nr.04982

Label: Brillant

Verlag: Brillant Classics

Literatur:

Johann Rist/ Johann Schop: Himmlische Lieder (1641/42). Herausgegeben von Johann Anselm Steiger und Konrad Küster. Oldenbourg Akademie Verlag 2012

Theodor Hansen: Johann Rist und seine Zeit. Aus den Quellen dargestellt. Halle 1872

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