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Kirche in WDR 3 | 16.09.2014 | 07:50 Uhr
Staunen...
Guten Morgen, was es nicht alles gibt! Heute zum Beispiel ist der Internationale Tag für die Erhaltung der Ozonschicht. Sie erinnern sich vielleicht: 1985 wurde Alarm geschlagen. Man hatte über dem Südpol ein großes Loch in der Ozonschicht entdeckt. Der Schutzschild gegen die gefährliche UV-Strahlung der Sonne war zerstört. Die dafür verantwortlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe, besser bekannt als FCKW, wurden verboten. In Kühl- und Gefrierschänken, in Feuerlöschern, Spraydosen, Reinigungs- und Lösungsmitteln werden sie nicht mehr verwendet. Seither wird das Ozonloch allmählich wieder kleiner. Aber es dauert. Die Stoffe sind sehr langlebig. Seit 1994 erinnern die Vereinten Nationen immer am 16. September an das Montrealer Protokoll, das erste internationale Abkommen zum Schutz der Ozonschicht. (1)
Die Kirchen feiern seit einigen Jahren im September eine Schöpfungszeit. Das Motto lautet in diesem Jahr „Staunen-Forschen-Handeln“. Denn christlicher Glaube und naturwissenschaftliche Forschung haben gemeinsam die Aufgabe, die Schöpfung zu bewahren. Beide haben einen unterschiedlichen Zugang zur Wirklichkeit, dürfen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nach dem Motto: die einen bewahren die Schöpfung, die anderen gefährden sie. Dazu eine kleine rabbinische Geschichte: Ein Rabbi fragte seine Schüler im Tora-Unterricht: „Was meint ihr, was ist schöner? Ein Kornfeld mit reifen Ähren, die sich leise im Wind wiegen, oder ein frisch gebackenes Brot?“ Der kleine Mosche meinte zu wissen, was der Rabbi hören wollte und sagte: “Das Kornfeld ist viel schöner, denn es ist von Gott gemacht.“ „Nein“, sagte der Rabbi, „die Schönheit des Brotes geht weit darüber hinaus. Denn das Brot vereint die Schönheit des Kornfeldes mit der Schönheit der menschlichen Arbeit. Das Werk des Bauern, des Müllers und des Bäckers veredeln die Schöpfung Gottes.“ (2)
Was hätten Sie dem Rabbi geantwortet? Vielleicht dasselbe wie der kleine Mosche? Beim Thema Schöpfung sind wir ja schon geneigt, alles, was ursprüngliche, von menschlicher Hand unberührte Natur ist, höher zu schätzen, als was durch die Hände von Menschen verarbeitet wurde. Uns sitzt noch die Haltung früherer Generationen in den Knochen, die hieß: Der Mensch ist dazu da, die Schöpfung zu beherrschen. Die umweltzerstörenden Folgen dieser Einstellung sehen und spüren wir heute. Kaum einer wird deshalb wie der Rabbi so ganz unbefangen sagen können: Das Werk des Menschen veredelt die Schöpfung Gottes. Umgekehrt ist es auch zu einseitig, die Schöpfung quasi für heilig zu erklären. Biblisch gesprochen war die Schöpfung nur im Paradies sehr gut. Die „gefallene“ Schöpfung hat zwei Seiten. Eine bedrohliche und eine chancenreiche. Sie braucht an manchen Stellen die korrigierende Hand des Menschen. Es ist ein Segen, wenn Menschen Hand anlegen, die Gefahren der Schöpfung eindämmen und ihre Chancen ergreifen. Dämme gegen Hochwasser, Mittel gegen Schädlinge, ausreichend Lebensmittel für die wachsende Weltbevölkerung – das alles dient dem Leben der Menschen. Die Entwicklung von Kühl- und Gefriermöglichkeiten war ganz wichtig, damit wir das ganze Jahr über Lebensmittel zur Verfügung haben. Sie war ein Segen, nichts Schlechtes. Nachdem die Forschung gezeigt hat, welche Folgen das verwendete Kühlmittel hat, haben Menschen sich wieder etwas anderes überlegt. Und genau das ist gefragt: Die Schöpfung nicht einfach sich selbst zu überlassen, sondern weiter zu forschen mit klugem Menschenverstand und Respekt vor der Umwelt. Und dem Wissen – nicht der Mensch, Gott hält die ganze Welt in Händen und hat versprochen: „…es soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Genesis 8, Vers 22)
So behütet wünsche ich Ihnen einen fröhlichen Tag, Ihre Barbara Schwahn, Pfarrerin aus Düsseldorf.
(1)www.br.de/themen/wissen/ozonschicht-ozonloch-fckw-100.html
(2)Markus Dröge, Bebauen und Bewahren - Forschen und Handeln im Dienst der Schöpfung, in Michael Kappes (Hg.), Staunen – Forschen – Handeln. Gemeinsam im Dienst der Schöpfung, Materialien zur Gestaltung des Schöpfungstages (5. September) und der Schöpfungszeit 2014 (Themenheft 4), S. 8-12, Zitat S. 8.