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Kirche in WDR 3 | 19.09.2014 | 07:50 Uhr
Yolo - man lebt nur einmal
Guten Morgen, kennen Sie YOLO? Die Abkürzung für: you only live once, man lebt nur einmal. Seit ein paar Jahren ist das ein Schlagwort der Jugendkultur. (1) 2012 wurde es in Deutschland zum Jugendwort des Jahres gewählt. Yolo, das schreiben Jugendliche, wenn sie richtig was riskiert haben. Was ganz Gefährliches gewagt oder was Verbotenes getan haben. You only live once, man lebt nur einmal, das erinnert ein bisschen an das Carpe diem, zu Deutsch „Nutze den Tag“. Da geht es allerdings eher darum, nichts aufzuschieben. Seinen Aufgaben und Pflichten regelmäßig nachzukommen und die Lebenszeit sinnvoll zu nutzen, die man hat. Yolo ist eher eine Aufforderung, auch mal unvernünftig zu sein.
20 junge Künstlerinnen und Künstler haben das Wort zum Titel einer Ausstellung in der Düsseldorfer Johanneskirche gewählt: „Yolo - This is the end“. Das Kunstprojekt ins Leben gerufen hatte das Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Düsseldorf. Die jungen Künstlerinnen und Künstler sollten ihre Ansichten vom Sterben und vom Leben zeigen. So wie David Scheitz. Er hat auf jeweils einem Blatt erst weniger oft das Wort „Leben“ geschrieben, dann immer häufiger, bis das letzte Blatt ganz übersät war.
Er schreibt: „Fast 30.000 Tage stehen Menschen heute in Deutschland durchschnittlich zum Leben zur Verfügung. Etwa 80 Jahre haben wir auf der Erde, um all dies zu tun, von dem wir denken, dass es wichtig ist.“ (2) Einen Tag voll Leben, eine Woche, einen Monat, ein Jahr, ein ganzes Leben voller Leben. Das erinnert an den Satz der Gründerin der Palliativbewegung, Cicely Saunders: Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben zu geben, wenn wir dem Tod ins Auge sehen. Und den Tod haben wir ja alle von Geburt an vor Augen.
Ob man das nun tut, indem man seine Tage mit besonders verrückten Aktionen füllt oder mit treuer Pflichterfüllung. Da wird sicher jeder anders entscheiden. Die Ansichten vom Sterben und vom Leben gehen eben auseinander. Die Ausstellungsmacher jedenfalls wollten demonstrieren: Wenn ich darüber nachdenke, dass ich mal sterben muss, muss mich das nicht zwingend ängstigen und verunsichern. Es kann mich auch dazu bringen, auf die Suche zu gehen nach dem, was meinem Leben Sinn gibt, bevor es vorbei ist.
Der in New York lebende Psychoanalytiker Robert Lifton beschreibt, was einem bei dieser Sinnsuche durch den Kopf gehen kann: Ich weiß, dass ich sterblich bin, oder doch nicht? Mal ganz ehrlich, ich bilde mir doch nicht ein, dass ich ewig leben werde, auch wenn es schön wäre. Oder vielleicht doch? Naja, ich bezweifle keineswegs, dass mein Körper irgendwann vergeht. Das kenne ich, das habe ich erlebt.
Wenn ich aber körperlich endlich bin, gibt es denn für mich nicht den Ausweg der symbolischen Unsterblichkeit? Vielleicht auf biologische Art, dass ich weiterlebe durch meine Nachkommen oder auf theologische Weise, indem ich glaube an die Auferstehung oder die Reinkarnation oder in kreativer Form, indem ich ein Kunstwerk erschaffe, das mich überdauert. Oder indem ich mich für Menschen einsetze und Nächstenliebe praktiziere und so meinem Leben einen Sinn gebe. (3)
Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss. (Psalm 39,5) So heißt es in der Bibel. Ich weiß nicht, wann genau mein Leben zu Ende geht, aber ich weiß, dass es so sein wird. Deshalb lohnt es sich – wie die jungen Künstler, vom Ende her zu überlegen, was ich mit meinem Leben anfangen möchte, auch heute. Was auch immer Sie heute mit diesem Gedanken machen, denken Sie daran: Dieser Tag in Ihrem Leben kommt nicht wieder. Yolo!
Gerne wieder zum Nachdenken gebracht hat Sie Pfarrerin Barbara Schwahn aus Düsseldorf.
(1)de.wikipedia.org/wiki/YOLO
(2) www.facebook.com/YOLOartandpalliativecare
(3) in Anlehnung an ein Zitat von Robert Lifton, Begleittext zur Ausstellung Yolo – This is the end