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Kirche in WDR 3 | 26.01.2015 | 07:50 Uhr
Schmecken
Fast Food – also das schnelle Essen – ist überall im Alltag auf dem Vormarsch. Es gibt kaum einen Ort, an dem nicht Schnellrestaurants existieren oder Supermärkte die so genannten „Snacks to go“ anbieten. Schnell essen, schnell weiterarbeiten.
Dabei ist es kein Geheimnis, dass diese Art der Nahrungsaufnahme dem Körper auf Dauer nicht gut tut.
Guten Morgen!
Auf die Schnelle essen ist ungesund. Ich bekomme – neben Magenschmerzen – auch gar nicht mehr mit, was ich gegessen habe. Außerdem esse ich in der Regel zu viel, weil die einzelnen Bissen nicht gut durchgekaut werden. Und das alles nur, weil ich meine, keine Zeit zu haben! Natürlich habe ich Zeit, ich nutze sie nur nicht zum Essen, oder bilde mir ein, dass das Essen so nebenbei passieren könne. Hauptsache satt. Auf die Dauer verkümmert mein Geschmack, weil ich mir keine Zeit nehme, die einzelnen Zutaten aus einer Nahrung herauszuschmecken. Das Schmecken bleibt auf der Strecke. Dabei ist es so wichtig. Wir Menschen besitzen rund 2.000 bis 5.000 Geschmacksrezeptoren, die arbeiten wollen. Geschmack ist trainierbar. Genauso gut kann er aber auch verkümmern.
Was für den Körper gilt, das gilt auch für die Seele! Auch sie muss nicht nur gut genährt werden, sondern auch bei ihr geht es um Geschmacksbildung. Mit wie vielen Eindrücken und Gefühlen wird sie täglich konfrontiert? Was strömt nicht alles auf sie ein, was muss sie nicht alles „schlucken“ – all die Bilder, Emotionen und Eindrücke eines Lebens. Die Seele ist der Ort in uns, in dem das alles ankommt. Und wie gehe ich mit ihr um?
„Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das Spüren und Verkosten der Dinge von innen her“, so hat Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, im 16. Jahrhundert einmal formuliert. Seine Aussage stammt aus der eigenen Erfahrung: Er selbst hatte viel gesucht und ausprobiert in seinem Leben. Immer mehr wollte er, der ehrgeizige Soldat – und gleicht dabei uns modernen Menschen. Bei allem aber spürte er keinen inneren Frieden, er kam nicht ins seelische Gleichgewicht. Bis er als Soldat schwer verwundet wurde. Ignatius stellte fest: Das bewusste Verkosten der Dinge von innen her, das bewusste Schmecken und der Nachgeschmack, den eine Situation in ihm auslöste, das eröffnete der Seele mehr Platz als das Immer-mehr-Wissen-Wollen, das Immer-mehr-tun-Wollen.
Vordergründig scheint mir der Vorschlag des heiligen Ignatius genauso lästig wie das intensive Kauen und Schmecken beim Essen. Wenn ich mir keine Zeit nehme, das alles, was täglich auf mich einströmt, zu verdauen, zu schmecken, nachzuschmecken, dann verkümmern sowohl der Leib als auch die Seele. Und gerade für die Seele gilt: Wenn ich mir keine Zeit nehme, Situationen meines Lebens bewusst noch einmal zu wiederzukauen oder zu reflektieren, dann kann ich mein Leben auch nicht mehr genießen, sondern schlucke nur noch alles in mich hinein. Solches Fast Food ist für die menschliche Seele nicht nahrhaft.
Also tue ich gut daran, meine Seele ebenso gut zu ernähren und damit wirklich zu sättigen wie meinen Körper. Schmecken, nicht schlingen ist dabei angesagt. Wie geht es mir mit dieser oder jener Begegnung? Ging es gut oder ist etwas aus dem Ruder geraten? Ich überdenke einfach mal eine Situation und schmecke sie so nach.
Vielleicht sind sie ja schon etwas auf den Geschmack gekommen: Slow Food für die Seele. Einen guten Tag wünscht Ihnen Meike Wagener-Esser aus Duisburg.