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Kirche in WDR 3 | 22.01.2015 | 07:50 Uhr
Bibel zwischen Märchen und Liederbuch
Neulich stöberte ich in einem Buchladen. Der gehörte zu einer größeren Kette. Und dann sah ich es: Ein Regal hatte folgende Überschrift: "Märchen, Lieder, Bibeln". Und ich dachte: Das darf doch nicht wahr sein! Da wird mein absolutes Lieblingsbuch zu den Märchen gestellt. Als ob die Bibel ein Märchenbuch wäre. Und auf der anderen Seite die Liederbücher. Ich meine, kauft heute noch jemand Liederbücher?
Also die Bibel zwischen Märchen und Liederbüchern. Ich war erst mal entsetzt.
Als erstes muss ich natürlich sagen: Die Bibel ist kein Märchenbuch! Sie enthält historisch nachweisbare Fakten. Sie berichtet über das Leben von Menschen. In ihr finde ich Texte voller Weisheit, die mir in meinem Leben helfen können. Und sie erzählt von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Es gibt Briefe in ihr, von Aposteln geschrieben um den jungen Gemeinden zu helfen. Und - und da passt es wieder zur Überschrift am Regal: Es finden sich auch nicht wenige Lieder in ihr.
Dann habe ich ein wenig weiter darüber nachgedacht. Und zwar über Märchen. Die meisten Menschen sind fasziniert von Märchen. Uns begeistert das Zauberhafte, dass Tiere reden können, dass Dinge geschehen können, die unser normaler Alltag nicht vorsieht. Und Märchen haben doch immer ein gutes Ende. Ich denke, Märchen können Hoffnung schenken. Aus Katastrophen, Verwünschungen und ausweglosen Situationen führen wundervolle Wege. Zauberer, Feen oder Wunschringe helfen hinaus. Manchmal auch nur der Mut des Prinzen oder der Prinzessin. Es ist so schön, dass es Auswege gibt, dass keine Situation hoffnungslos ist. Darin liegt wohl die Faszination der Märchen.
Vielleicht steht die Bibel ja doch richtig, denke ich. [Auch in ihr gibt es Tiere, die reden können. Aber das Mal nur so nebenbei, das mit den redenden Tieren.]
Auch in der Bibel wird von Katastrophen und ausweglosen Situationen berichtet. Die sind allerdings oft real, sind wirklich passiert. Und wirklich sind auch viele Wege, die Menschen gehen, um aus diesen Schwierigkeiten wieder heraus zu kommen.
Da lebte zum Beispiel ein Mensch zur Zeit Jesu. Er hatte einen wirklich üblen Beruf. Er sammelte den ungeliebten Wegezoll für die römische Besatzungsmacht ein. Dabei forderte er oft mehr als nötig, denn wehren konnte sich keiner. Zachäus, so hieß der Mann, war deshalb äußerst, äußerst unbeliebt. Gerade zu dem geht Jesus. Lädt sich und seine Jünger bei ihm zum Essen ein. Und ohne große Worte ändert Zachäus daraufhin sein Leben. Teilt seinen Reichtum mit den Armen und gibt erpresstes Geld zurück. Das hört sich doch jetzt wirklich wie ein Märchen an! Aber ich zweifle nicht eine Sekunde, dass sich das genauso abgespielt hat.
Die Menschen der Bibel erleben ihre Rettung oft als ein wunderbares Eingreifen Gottes. Am Ende gibt es auch in der Bibel ein "Happy End". Hoffnung ist ein großes Thema in der Bibel.
In einem Psalm finde ich das ganz großartig zusammengefasst: "Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässt meine Feinde nicht über mich triumphieren." (Psalm 30,2 Einheitsübersetzung)
Ein Psalm ist auch ein Lied. Dies Lied klingt zwar märchenhaft, es ist aber ein reales Erlebnis, das jemand in Liedstrophen festgehalten hat. Es gibt ja Menschen, die dichten, wenn sie von etwas ergriffen sind - ob durch Liebe, Trauer oder eine Rettung.
Also, nach diesen Gedanken war ich dann etwas versöhnter mit dem Regal, in dem mein Lieblingsbuch stand: "Märchen, Lieder, Bibeln". Das ist immer noch besser als wenn es unter "Science-Fiction" oder "Krimi" gestanden hätte. Und schön ist ja auch, dass es da eine extra Abteilung für gibt. Ihr Pastor Heddo Knieper aus Herne, gerne!
Zachäus: Lukas 19,1-10