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Kirche in WDR 3 | 27.05.2015 | 07:50 Uhr
Ein Gebet?
Guten Morgen, „Du hast nie ein Wort gesagt; du hast mir nie einen Brief geschrieben; glaub nicht, dass ich dir vergeben kann.“ So die Übersetzung eines englischsprachigen Songs, der sich als Remix des Osnabrücker DJs Robin Schulz über Monate ganz oben in den deutschen Charts gehalten hat. Beim ersten Hören dachte ich: Da geht es um ein Beziehungsdrama: „Glaub nicht, dass ich dir vergeben kann.“
Doch schon der Titel des Songs von dem französischen Duo „Lilly Wood & The Prick“ verrät: Es geht um etwas anderes: „Prayer in C“ – „Gebet in C“ heißt der Titel. Beim genauen Hinhören wird es mir klar: Die Worte richten sich an Gott. Nili Hadida, die Sängerin des Duos, stammt aus Israel. Jede Strophe ihres Songs beginnt mit der Kurzform des Hebräischen Gottesnamens; jede Strophe beginnt mit der Anrede Gottes: „Gott, du hast nie ein Wort gesagt; du hast mir nie einen Brief geschrieben.“
Das Lied von Lilly Wood & The Prick erzählt davon, dass die Welt langsam stirbt. Und dann: Gott, „Glaub nicht, dass ich dir vergeben kann.“ Nili Hadida singt von Kindern, die hungern müssen und deren Häuser zerstört werden: Gott, „Glaub nicht, dass sie dir vergeben können.“ Sie singt von den Meeren, die das Land überfluten werden und davon, wie das ist, wenn es keine Menschen mehr geben wird auf der Erde: „Glaub nicht, dass du dir vergeben kannst.“, Gott.
Die Sängerin, die sich selbst eigentlich als Atheistin bezeichnet, hat in einem Interview über den Song „Prayer in C“ gesagt: „Dieses Stück ist ein bisschen wie ein offener Brief an Gott, wenn es ihn gibt. Es ist ein Gebet.“ (1)
Aber darf man das – so beten? Gott so hart angehen? - Auch in der Bibel sind Gebete überliefert, in denen die Beter Gott hart anklagen. Es sind Gebete von Menschen, die angesichts dessen, was ihnen in ihrem Leben widerfährt, mit Gott nicht mehr klarkommen. „Gott, wie lange willst du mich vergessen? Gott, warum versteckst du dich vor mir?“ (Psalm 13,2), fragt da jemand. Er findet Gott nicht mehr in seinem Leben. Und er traut sich, Gott das ins Gesicht zu schleudern.
Die heftigsten Gebete der Bibel finden sich wohl in dem Buch, das von Hiob erzählt. Er ist ein frommer Mensch. Trotzdem kommt über sein Leben auf einen Schlag so viel unerklärliches und bitteres Leiden. Sein unermesslicher Reichtum ist mit einem Mal dahin. Und es kommt noch schlimmer: Durch ein Unglück verliert er seine Kinder. Er selbst wird von schwerer Krankheit heimgesucht.
„Gott, vergiss mich doch einfach! Gott, lass mich in Ruhe!“ Fast höhnisch klingen Hiobs Worte. Er sagt Gott: „Ich möchte sterben. Damit endlich Ruhe ist und Du mich nicht mehr finden kannst.“ (Hiob 7,17-21) - Auch das sind harte Worte, Gott entgegen geschleudert.
Darf man das? Hiob hat Freunde. Und die sind ganz schnell damit zur Hand zu sagen: „Hiob, das darfst du nicht! So kann man doch mit Gott nicht reden!“
Doch Hiob kann so mit seinem Gott reden. Es ist in diesem Augenblick für ihn die einzige Möglichkeit, an seinem Gott festzuhalten. Denn auch diese bittere Klage will ja letztlich Gott nicht loslassen, will Gott und den Glauben nicht aufgeben. Auch diese bittere Klage ist Glauben.
Zu dem Song „Prayer in C“ finden sich im Internet viele Kommentare. Einige sagen: „Das darf man doch nicht! So kann man doch nicht mit Gott reden.“ – Doch. Darf man. Ich finde, auch aus einem solchen Gebet spricht letztlich doch die Hoffnung, dass da ein Gott ist, der diese Welt und unser Leben in der Hand hat. Für mich bleibt es ein Gebet – Reden mit Gott.
Ihr Dietmar Arends, Landessuperintendent aus Detmold.
(1) Interview L’Expresse
„Ce morceau c'est un peu une lettre ouverte à Dieu si il existe. C'est une prière.“
http://www.lexpress.fr/culture/musique/lilly-wood-the-prick-prayer-in-c-est-un-peu-une-lettre-ouverte-a-dieu_1625356.html