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Choralandacht | 11.07.2015 | 07:50 Uhr
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Christ unser Herr zum Jordan kam (eg 202)
Autor: Wussten Sie, dass ein linker Nebenfluss der bayerischen Regnitz Jordan heißt? Flüsse, die auf den Namen Jordan getauft sind, gibt es allerorten auf dieser Welt.
Musik 1: (instrumental) J.S. Bach: Christ unser Herr zum Jordan kam
Autor (overvoiced): Hören Sie den Jordan rauschen?
Musik 1: (instrumental)
Autor (overvoiced): Die linke Hand des Organisten veranschaulicht sein Fließen. Die rechte Hand absolviert vehemente Sprünge. Und die Füße auf dem Orgelpedal?
Musik 1 (instrumental)
Autor (overvoiced): Die Füße spielen ein Lied, in dem es um den Jordan geht, nicht um den Nebenfluss der Regnitz, sondern um den Taufpaten aller Jordans dieser Welt, um jenen Grenzfluss zwischen Israel und Jordanien, der allen vertraut ist, die sich für internationale Politik interessieren oder auch für die Bibel.
Musik 1 (instrumental)
Autor (overvoiced): Das Kirchenlied gehört zu den Katechismusliedern Martin Luthers. Das sind Lieder, in denen der Reformator den Christen wesentliche Glaubensinhalte erläutert. Sie sollen sie befähigen, eigenverantwortlich über ihr Bekenntnis nachzudenken.
Wenn Sie ein Evangelisches Gesangbuch zur Hand haben, schlagen Sie doch die Nummer 202 auf: „Christ unser Herr zum Jordan kam“.
Den „Ur-Strom zwischen Heil und Hass“ nennt der 2008 verstorbene Nahost-Experte Gerhard Konzelmann den Jordan. Die Eroberung Palästinas durch die Israeliten in biblischen Zeiten beginnt mit der Überschreitung des Jordans in der Nähe von Jericho, das heute auf der Westbank in den palästinensischen Autonomiegebieten zu finden ist. Für die Israeliten ist es die Einlösung eines göttlichen Heilsversprechens, für die ortsansässige Bevölkerung eine einzige Demütigung.
Später heilt der Prophet Elisa den aussätzigen syrischen Hauptmann Naaman, indem er ihn sieben Mal im Jordanwasser untertauchen lässt, ein kleiner Vorgeschmack auf die Taufe, die Johannes, zur Zeit der römischen Besatzung an den Ufern des Jordans durchführte.
Auch Jesus von Nazareth gehörte zu den Täuflingen, und nicht wenige Bibelwissenschaftler gehen davon aus, dass Jesus eine geraume Zeit zu den Jüngern des Johannes zählte.
Musik 2: Eingangschor / Instrumentalvorspiel
Am Johannistag 1724, er fällt auf einen Samstag, befinden wir uns vor den Toren der Thomaskirche in Leipzig. Johann Sebastian Bach probt eine Choralkantate, die er für den Johannistag komponiert hat.
Musik 2: Bachkantate
Autor: Wir aber hören jetzt den Choral Martin Luthers in einer schlichten vierstimmigen Fassung. Der mehrstimmige Satz stammt vom Theologen und Musiker Lucas Osiander, dem Initiator des ersten württembergischen Gesangbuchs von 1583.
Musik 3: Lucas Osiander: Christ unser Herr zum Jordan kam
Sprecherin (overvoice)
Christ, unser Herr, zum Jordan kam
nach seines Vaters Willen
von Sankt Johann die Taufe nahm,
sein Werk und Amt zu erfüllen.
Da wollt er stiften uns ein Bad,
zu waschen uns von Sünden,
ersäufen auch den bittern Tod
durch sein selbst Blut und Wunden,
es galt ein neues Leben.
Autor: „Es galt ein neues Leben!“ Ein großes Wort. Zwei Personen begegnen sich, beide gebürtig aus dem unwirtlichen Galiäa. Beide sind sie hingerichtet worden, der Täufer wird enthauptet, der Täufling wird gekreuzigt. Aber unser Lied lässt keinen Zweifel daran, um wen es Martin Luther hauptsächlich geht: um den, der die Taufe beim Wort nahm, um den, der nicht nur in den Fluten des Jordans untergetaucht wurde, um dann wieder aufzutauchen, sondern der „hinabgestiegen ist in das Reich des Todes“ und nach biblischer Überlieferung am dritten Tage aus dem Reich des Todes zurückgekehrt ist.
In der zweiten Strophe tritt uns der Lehrer Luther entgegen:
Sprecherin:
So hört und merket alle wohl,
was Gott selbst Taufe nennet,
und was ein Christe glauben soll,
der sich zu ihm bekennet.
Gott spricht und will, dass Wasser sei,
doch nicht allein schlicht Wasser,
sein heiligs Wort ist auch dabei,
mit reichem Geist ohn Maße:
der ist allhier der Täufer.
Autor: Zum Element Wasser gesellt sich das Wort, das unser Ohr berührt, mitten in unser Herz stößt und uns bewegt. Hören hat Begegnung zur Voraussetzung. Ohne Begegnung geht das Reden ins Leere. Ohne Begegnung bleibt das Ohr taub.
In der letzten Strophe verwandelt Martin Luther die Fluten des Jordans in einen Blutstrom des Gekreuzigten. Ein drastisches, ja für viele abstoßendes Bild, das gleichwohl mit einer Vision einhergeht, denn weiter heißt es, diese rote Flut soll allen Schaden heilen.
Gottes Schöpfung ist beschädigt. Und die Sehnsucht nach Heilung ist universal. In der Taufe versöhnt der Schöpfer sich mit seinem Geschöpf. Allerdings sind Blut und Erlösung ein häufig missverstandenes Begriffspaar. Nur allzuoft haben die, die sich erlöst wähnten, das Blut der angeblich Unerlösten vergossen. Judentum, Christentum und Islam, sie alle tragen das Mal dieser grausamen Selbstgerechtigkeit. Und sie alle haben die Chance, Gewalt im Namen des Glaubens zurückzuweisen. Das würde das Antlitz der Welt schöner machen.
Musik 4: Schlusschoral Bach
Sprecherin:
Das Aug allein das Wasser sieht,
wie Menschen Wasser gießen;
der Glaub im Geist die Kraft versteht
des Blutes Jesu Christi;
und ist vor ihm ein rote Flut,
von Christi Blut gefärbet,
die allen Schaden heilen tut,
von Adam her geerbet,
auch von uns selbst begangen.
Autor: Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen Kirchenmusikdirektor Johannes Vetter aus Bielefeld an den Gestaden der Lutter.
Musik 5: Schlusschoral
Musikinformation:
Musik 1 / Musik 5
Titel: Christ, unser Herr, zum Jordan kam BWV 684
Interpret: Peter Dyke
Komponist: Johann Sebastian Bach
Text: Martin Luther
Verlag: 2007 Lammas
Label: Lammas Records
LC-Nr.:23040
Musik 2
Titel: Christ, unser Herr, zum Jordan kam BWV 7
Interpret/
Dirigentin: Suzie Le Blanc
Komponist: Johann Sebastian Bach
Text: Martin Luther
Track: Eingangschor
Verlag: 2005 ATMA
Label: ATMA Classique
Musik 3
Titel: Christ, unser Herr, zum Jordan kam
Komponist: Lucas Osiander
Text: Martin Luther
Chor: Kantorei Velbert
Leitung: Gisbert Schneider
Musik 4
Titel: Christ, unser Herr, zum Jordan kam BWV 7
Interpret: Suzie Le Blanc (Dirigentin)
Komponist: Johann Sebastian Bach
Text: Martin Luther
Track: Schluss-Choral
Verlag: 2005 ATMA
Label: ATMA Classique