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Kirche in WDR 3 | 24.08.2015 | 07:50 Uhr
Vom Glück des Glaubens
Der Entertainer Jan Böhmermann lehnt Religionen ab, lese ich in einem Online-Magazin. „Und zwar alle gleichermaßen“, so wird er zitiert. Seine Begründung: "Religion ist generell Blödsinn. Menschen müssen nicht auf jede Frage eine Antwort haben und können trotzdem glücklich sein." Er sei „zum Glück nicht getauft“, fügt er noch hinzu.
Guten Morgen,
puh, das ist starker Tobak für jemanden wie mich, der aus seiner Religion lebt und sie zum Beruf gemacht hat. Aber viele unter Ihnen, für die die eigene Religion eine Lebensgrundlage ist, dürften sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Wer lässt sich schon gerne nachsagen, sein Leben auf „Blödsinn“ zu bauen? Und wenn es ein „Glück“ sein soll, nicht getauft zu sein und keiner Religion anzugehören, dann müssen nicht nur wir Christen, sondern auch Juden, Muslime oder auch Angehörige anderer Religionen ziemlich unglücklich oder verrückt sein.
Nein, unglücklich fühle ich mich nicht. Gut, ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die aufgrund einer engen und rigiden religiösen Erziehung an manchen Lebensproblemen zu „knacken“ haben. Jede Religion hat auch ihre üblen Schattenseiten und neigt zu radikalen Formen, die tatsächlich ins Unglück führen können. Aber das hat mehr mit den Menschen zu tun, als mit der Religion an sich. Mein christlicher Glaube hat mich jedenfalls nicht unglücklich gemacht – und all die gläubigen Zeitgenossen, die ich kenne, wirken im Großen und Ganzen auch recht zufrieden.
Bin ich also „blöd“, wie Herr Böhmermann vielleicht denken könnte, wenn er Religionen für „Blödsinn“ hält? Nein, das klingt mir doch etwas krass. Aber mir gefällt der Gedanke, den ich bei einem christlichen Autor gefunden habe, der erklären kann, warum heutzutage Menschen eine Religion für absurd halten können. Wer an einen Gott glaubt, so hat er sinngemäß formuliert, müsse tatsächlich etwas naiv und auch in einer bestimmten Weise verrückt sein. In einer Welt, in der nur das zählt, was wissenschaftlich zu beweisen, und mit den Augen zu sehen und mit den Händen in den Griff zu bekommen ist – da wirkt es in der Tat verrückt, wenn Menschen auf das genaue Gegenteil setzen.
In der Bibel heißt es: „Glaube ist: Feststehen in dem, was man erhofft; Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ . Herr Böhmermann liegt nicht ganz falsch, wenn er sagt, dass das Glück des Menschen nicht davon abhängt, auf alles eine Antwort zu haben. Das Glück hängt aber sehr wohl davon ab, eine Hoffnung haben zu können, wo es auf dieser Erde keine Antworten gibt.
Ich habe in meinem Leben schon viele Situationen erlebt, in denen ich keine Antwort hatte: Verfahrene Situationen, unlösbare Konflikte, ausweglose Sackgassen. Vor allem aber die Momente, in denen ich am Grab liebgewordener Freunde und Bekannter stand; oder in meinem Beruf Menschen mit tragischen Schicksalsschlägen begegnet bin. Antworten wusste ich in solchen Situationen selten oder vielleicht auch nie – aber ich hätte nicht leben wollen ohne die Hoffnung, dass es doch noch einen Gott gibt, der die ausweglosen Dinge fügt und der es weitergehen lässt, wo alles zu Ende scheint.
Nein, es ist kein Unglück, religiös zu sein und an Gott glauben zu können! Unsere Welt lebt davon, dass es Menschen gibt, die hoffen und glauben können – über alle Grenzen hinweg. Ihnen heute einen hoffnungsfrohen Tag.
Klaus Pfeffer, Generalvikar aus Essen.
*1 Spiegel-Online vom 15.1.2015.