Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 24.10.2015 | 07:50 Uhr
Die Kartoffelesser
Guten Morgen!
Seit Jahren begleitet mich ein Bild, das ich vor langer Zeit im Kröller-Müller-Museum nahe der deutsch-niederländischen Grenze gesehen habe: „Die Kartoffelesser“ von Vincent van Gogh.
Anders als in seinen späteren Bildern, wo er die gleißend hellen Landschaften Südfrankreichs in leuchtenden Farben auf die Leinwand bringt, strahlt dieses monochrom gefasste Bild der „Kartoffelesser“ eine große Ruhe und Beschaulichkeit aus: Eine Bauernfamilie in einer bescheidenen Kate beim Nachtessen, beleuchtet nur von dem schwachen Licht einer Lampe. Es ist das Leben der einfachen Leute, das van Gogh hier einfängt, und das ihn so anrührt.
An seinen Bruder Theo schreibt er, „daß diese Leutchen, die bei ihrer Lampe Kartoffeln essen, mit denselben Händen, die in die Schüssel langen, auch selber die Erde umgegraben haben ... Ich habe gewollt, daß das Bild an eine ganz andere Lebensweise gemahnt als die unsere, die der Gebildeten.“
Damit bricht er mit der großen niederländischen Tradition der Portraitmalerei, mit der reiche und angesehene Bürger sich und ihre gesellschaftliche Bedeutung in Szene gesetzt haben. Van Gogh rückt stattdessen das Leben der Armen in den Vordergrund. Sein Blick gilt den abgearbeiteten Händen, dem kärglichen Mahl, den bescheidenen Lebensverhältnissen der kleinen Leute, die unter Mühen ihr Brot verdienen.
Mir kommt bei dieser Szene eine Begebenheit in den Sinn von der letzten Station der Südamerikareise von Papst Franziskus im Juli dieses Jahres. In einem Elendsviertel in Paraguay kehrte er bei einer Familie ein, die dort schon seit vielen Jahren lebte. Seine warmherzigen Worte könnten ebenso zu jener Kartoffelesser-Familie gesprochen sein:
„Eure Gesichter zu sehen, eure Kinder, eure Großeltern. Eure Geschichten zu hören und alles, was ihr geleistet habt, um hier zu bleiben, all die Kämpfe, die ihr geführt habt, um ein würdiges Leben, um ein Dach zu haben. Alles, was ihr tut, um den Unbilden des Wetters, den Überschwemmungen dieser letzten Wochen zu trotzen …“
Es sind einfühlsame Worte, eine schlichte Geste und das ehrliche Bemühen, zumindest zeichenhaft, den Menschen am Rande der Gesellschaft nahe zu sein, denn „Glaube“, so Papst Franziskus, „macht uns zu Nächsten“.
Mir fallen da spontan auch andere Familien ein, geflüchtet aus Syrien oder dem Sudan, die jetzt eine dieser Notunterkünfte bei uns in Dortmund bezogen haben; ich denke an alleinerziehende Mütter, die mit ihrem bescheidenen Einkommen alles tun, um ihren Kindern das Gefühl liebender Geborgenheit zu geben; ich sehe auch Menschen bei uns, nicht nur in den Krisenländern dieser Welt, die auch heute kein Dach über dem Kopf haben. Ihnen allen sei gesagt, was der Papst bei seinem Abschied den Bewohnern in jenem Elendsviertel anvertraut hat:
„Ich möchte (Euch) ein Nächster werden. Ich möchte euren Glauben segnen, eure Hände segnen, eure Gemeinschaft segnen.“
Ein Segen, unter den auch jene „Kartoffelesser“ fallen könnten. Van Gogh, der selber einmal Prediger war, erinnert mich mit seinem Portrait der einfachen Leute jedenfalls genau daran: Jesus selbst wollte vor allem den Armen und Bedrängten nahe sein, den Betrübten und Gedemütigten. Und er sprach zu ihnen davon, dass sie Gott schauen werden und Söhne und Töchter Gottes heißen, und dass ihnen das Himmelreich gehören werde. Die „Kartoffelesser“ von damals – und von heute – gehören jedenfalls dazu. Da bin ich mir ganz sicher.
Ich bin Peter Klasvogt aus der Kommende Dortmund.
Kommen Sie gut durch den heutigen Tag!