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Kirche in WDR 3 | 08.01.2014 | 07:50 Uhr
Nettsein ist so langweilig
Mein Lieblingsmensch - also das ist meine Frau -, mein Lieblingsmensch hatte neulich ein Probeabo einer Frauenzeitschrift. Irgendwie ist aus dem Probeabo ein Jahresabo geworden. Habe wohl was verpasst. Mich stört es nicht. Stehen ja auch für Männer ganz interessante Dinge drin. Filmtipps und sowas und man weiß am Ende, was frau so alles interessiert…
Ein Interview hat mich nachdenklich gemacht. Genauer gesagt der Titel: "Nettsein ist so langweilig".1 Wenn ich so darüber grüble, dann stimmt das ja irgendwie. In Filmen wird es immer dann spannend, wenn ein Böser, Gemeiner oder Fieser auftaucht. Romane und Filme leben doch davon, dass dort nicht nur nette Leute vorkommen. Und oft scheint es, dass die Bösen dann auch noch gewinnen. Erst kurz vorm Ende kommt der Retter oder die Erlösung. Und die Bösen bekommen gehörig was ab. Und wir denken: "Recht so, haben die sich ja auch verdient!" Dann wird alles gut und wir freuen uns über das Happyend. Ohne die Bösen könnte heute wohl kaum ein Kinofilm Erfolg haben.
Da frage ich mich ja: Ist das im wirklichen Leben eigentlich auch so? Dass es immer dann spannend und interessant wird, wenn ein Böser auftaucht? Wenn mir ein Mensch Probleme macht? Oder wenn mir mal jemand nicht so nett begegnet? Ich denke mal ja, spannend ist das schon. Doch mal ganz ehrlich: Ich könnte gut darauf verzichten. Oder? Denken sie doch mal an ihre letzten Begegnungen mit weniger liebenswürdigen Menschen.
Unser Leben läuft doch besser, wenn nicht gerade fiese Menschen unseren Weg kreuzen. Es ist einfach einfacher, wenn mir andere keine Probleme machen. Und es ist doch viel schöner, wenn ein Mensch nett zu mir ist.
Und selber? Auch ich möchte doch für andere Menschen lieber der Nette sein, als der Gemeine. Ich bin nicht gerne der, der für Probleme oder schlechte Laune sorgt. Es sei denn es muss sein.
Jesus, war ja auch nicht immer nett, sondern konnte ganz schön auf den Tisch hauen. Vor allem wenn etwas ganz falsch lief, wenn Menschen zum Beispiel scheinheilig waren (Matthäus 23,13-36).
Doch als oberste Richtschnur galt für Jesus: Nett sein zu denen, die zur mir nett sind, ist keine Kunst. Das kann ja fast jeder. Jesus geht weiter, er fordert uns heraus: Sei nett zu denen, die nicht nett zu dir sind. (Matthäus 5,43-47)
Klar, ist nicht einfach, aber einfach besser. Und, kommt mir entgegen: Ich bin einfach gern der Nette, bei dem die Leute sich wohlfühlen sollen. Dann kann es von mir aus auch mal etwas langweilig sein.
Was mich dann zu der Frage führt, warum "Nettsein" eigentlich langweilig sein muss? Warum machen wir aus dem Nettsein nicht eine spannende Sache! Eine Art Wettbewerb. Wer aus unserer Familie oder Gruppe war heute der Netteste? Oder: Wie kann ich andere mit "Nettigkeiten" überraschen? Oder kreativ: Welche ganz verrückten Nettigkeiten fallen mir ein?
Dann wird doch ein einfacher Einkaufsbummel zu einer spannenden Angelegenheit. Es fängt mit dem Lächeln an. Jeder Menschen, der mich ansieht, bekommt ein Lächeln geschenkt. Worte wie "Danke und Bitte, ja gerne, schönen Tag noch" werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit gebraucht. Ich gehe mit offenen Augen durch die Straßen. Ich suche nach Menschen, denen ich ganz nett kommen kann. Jemandem über die Straße helfen, etwas zum Auto tragen, eine Tür aufhalten, einem Bettler etwas geben, mit Nachbarn plaudern. Wenn wir Nettigkeit als sportliche Herausforderung verstehen, dann verliert sich die Langeweile. Und wie gesagt: Besonders Spaß macht es ja auch, einem gar nicht so Netten, ganz nett zu kommen.
Also, versuchen Sie doch heute mal der oder die Netteste von allen zu sein.
Ganz nett verabschiedet sich jetzt von ihnen Pastor Heddo Knieper aus Herne.
1 Freundin 20/2013, S. 199f