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Kirche in WDR 3 | 06.04.2016 | 07:50 Uhr
Dabei sein ist alles
Guten Morgen. Genau heute vor 120 Jahren: vor 60.000 Zuschauern werden in Athen die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit eröffnet. 295 männliche Sportler (ausschließlich Amateure) aus 13 Nationen nehmen teil. Seitdem gibt es alle vier Jahre Olympische Spiele, in diesem Jahr vom 5. bis 21. August in Rio de Janeiro. Die „Jugend der Welt“ reist in diesem Jahr also nach Brasilien, um sich dort in olympischen Wettkämpfen zu messen. Die Besten der Besten kommen da aus der ganzen Welt zusammen, und gerade in diesen Wochen geht es in manchen Sportarten um die Qualifikation für das größte Sportereignis der Welt.
Natürlich geht es bei den Olympischen Spielen um „höher, schneller, weiter“. Natürlich nimmt der Leistungsdruck bisweilen abstruse Ausmaße an. Andererseits kann ich verstehen, dass es nichts Größeres im Leben eines jungen Sportlers gibt, als eine der begehrten olympischen Medaillen in den Händen zu halten. Dennoch sei heute, am Olympia-Gedenktag auch an den Ausspruch des Begründers der Olympischen Spiele der Moderne, Pierre de Coubertin, erinnert, den er 1908 geprägt hat: „Das Wichtige an den Olympischen Spielen ist nicht zu siegen, sondern daran teilzunehmen; ebenso wie es im Leben unerlässlich ist nicht zu besiegen, sondern sein Bestes zu geben.“ Verkürzt wird dieser Satz immer schon einmal gerne zu: „Dabei sein ist alles.“
Mit diesem Satz mache ich immer schon einmal gerne Menschen Mut, die nicht die Leistung der anderen bringen können. „Hauptsache, Du bist dabei! Alles andere ist unwichtig!“ Und ich glaube, das bringt auch eines der unglaublichen Geschenke Gottes an uns Menschen auf den Punkt: Jenseits der Leistungsgesellschaft gibt es auch noch etwas anderes. Sein Bestes zu geben – das sollte jeder auf seine Art versuchen. Aber das sind letztlich nicht die Kategorien, in denen Gott Maß an uns legt. Er nimmt uns, jeden und jede Einzelne von uns, mit all‘ unseren Beschränktheiten, mit all‘ unserem Unvermögen wahr und ernst – und lässt uns gewähren. Dabei sein ist alles! Er packt weder ein Maß-band aus noch drückt er die Stopp-Uhr. Er blickt liebend auf unsere Aktivitäten und ergänzt am Ende, was noch fehlt. Was natürlich nicht zu einer Haltung führen darf: Egal – er wird’s schon richten. Ein wenig Mühe darf schon sein. Aber ich darf darauf vertrauen, dass er mir nur das auferlegt, was ich auch schaffen kann.
In einem alten Gebet, einem Psalm heißt es: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!“ Das Vertrauen, dass der Beter im Alten Testament schon in Gott setzte, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Und manchmal hatte ich in meinem Leben den Eindruck, dass das wirklich funktioniert: Höher – schneller – weiter. Mit ihm. Ohne Maßband und Stopp-Uhr.
Ich wünsche Ihnen einen Tag ohne Maßband und Stoppuhr, einen Tag mit ihm: Höher – schneller – weiter. Und wenn es nicht so klappt, den Kontakt bitte nicht abbrechen, denn: „Dabei sein ist alles!“
Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen
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