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Choralandacht | 07.01.2017 | 07:50 Uhr

DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.

Von guten Mächten treu und still umgeben

Von guten Mächten treu und still umgeben (eg 65)

Ein junger Mann aus bestem Hause, hoch begabt, gebildet und erfolgreich. Und auf der Suche nach dem rechten Glauben. Er studierte Theologie und wurde Pastor. Er wollte Jesus Christus nachfolgen und glaubte, das könne er am besten, indem er ein untadeliges Leben führte. Also ging er einen geraden Weg, auch wenn es schwer war und sogar gefährlich. Als in Deutschland Hitler die Macht übernahm und Millionen ihm zujubelten, erkannte der junge Pastor von Anfang an, dass dieser Führer ein Führer in den Abgrund sein würde.

Dietrich Bonhoeffer baute mit Gleichgesinnten eine kirchliche Opposition gegen Hitlers Diktatur auf. Deren Schergen hatten ihn bald im Visier, er durfte nichts mehr veröffentlichen und bekam öffentliches Redeverbot.

Sprecherin:

Von guten Mächten treu und still umgeben,

behütet und getröstet wunderbar,

so will ich diese Tage mit euch leben

und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Bonhoeffer beginnt konspirativ zu arbeiten, muss sich tarnen, muss täuschen, lügen, tricksen. Ein untadeliges Leben sieht anders aus. Dieser Zwiespalt treibt ihn um. Intensiv beschäftigt er sich mit der Frage, ob man sich für ein höheres Ziel die Hände schmutzig machen darf und soll. Und er kommt zu der Erkenntnis: Ja, es kann geboten sein, gegen Gebote zu verstoßen. Wer in dringenden Notlagen nichts tut, passiv bleibt, um sein Gewissen rein zu halten, lädt Schuld auf sich. Dass der Widerstand gegen das Böse, im äußersten Fall auch mit Gewalt, ebenfalls mit Schuld verbunden ist, daran lässt der Theologe keinen Zweifel. Aber er ist überzeugt: In manchen Situationen muss ein Christ aus Liebe zum Nächsten schuldig werden. Und diese Schuld hat Jesus, der selbst ohne Schuld war, in seinem Tod am Kreuz bereits auf sich genommen.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern

des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern

aus deiner guten und geliebten Hand.

Im April 1943 kommt Dietrich Bonhoeffer ins Militärgefängnis Berlin-Tegel. Er weiß, dass ihm der Tod droht. Seine Aussichten verschlechtern sich zusehends. Als am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler misslingt, folgt eine Welle von Verhaftungen; Bonhoeffer muss damit rechnen, dass er hineingezogen wird. Im Oktober findet die Gestapo belastende Akten. Der Häftling kommt in den berüchtigten Keller des Reichssicherheitshauptamtes. Dort schreibt er kurz vor Weihnachten 1944 das Gedicht, das heute im Evangelischen Gesangbuch steht.

Es ist nicht leicht, aus vollem Herzen in diese Verse einzustimmen:

Sprecherin:

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern

des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern

aus deiner guten und geliebten Hand.

Ich weiß nicht, ob ich die Größe und das Vertrauen eines Dietrich Bonhoeffer hätte. Sein Vorbild ist Jesus, der, seinen Tod vor Augen, in tiefer Angst betet: „Vater, ist’s möglich, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Daran orientiert sich Bonhoeffer, wenn er den Kelch des Leids aus Gottes Hand annehmen will – und zwar dankbar und ohne Zittern. Mir fällt es immer schwer, das zu singen. Es fällt schwer, Leid und Schmerzen anzunehmen als etwas, was aus Gottes „guter und geliebter Hand“ kommt. Bonhoeffer hatte die Kraft dazu, wenige Monate später hat er es getan. Kurz vor Kriegsende wurde er auf Befehl Hitlers mit fünf weiteren Widerstandskämpfern ermordet.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken

an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,

dann wolln wir des Vergangenen gedenken,

denn dann gehört dir unser Leben ganz.

Dietrich Bonhoeffer, der zunächst in der Nachfolge Jesu Christi ein untadeliges Leben führen wollte, hat erfahren,

Sprecher

„dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder [...]. und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben – dann wirft man sich Gott ganz in die Arme [...].

So schrieb er am 21. Juli 1944 an seinen Freund Eberhard Bethge.

Manchmal wird Bonhoeffer ein „evangelischer Heiliger“ genannt. Gerade das war er nicht. Er hat erfahren: Nicht auf den erhabenen Höhen eines ethischen oder moralischen Anspruchs bewährt sich christlicher Glaube, sondern in den alltäglichen Niederungen des Hier und Jetzt. Da, wo es zur Sache geht, wo man auch mal dreckige Hände kriegt. Da, wo man mit allen Unklarheiten, Fragen, Zweifeln, Erfolgen und Misserfolgen lebt. Im Diesseits, wo es menschlich zugeht. Da wirft man sich Gott ganz in die Arme.

Und weil er das kann, hat der Mann im Gefängnis nicht nur die Kraft zum Widerstand gegen das Unrecht der Nazi-Diktatur. Er kann auch seiner Verlobten und seiner Familie diese tröstlichen Verse zu Weihnachten und zum neuen Jahr 1945 schicken.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,

So lass uns hören jenen vollen Klang

Der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,

all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Otto Abel, Kirchenmusiker in Berlin, hat dem Gedicht 1959 eine schlichte, fast karge Melodie gegeben. Ihr Rhythmus steht in eigenwilligem Kontrast zum Versmaß von Bonhoeffers Text. Dieses Versmaß, der Jambus, beginnt in jeder Zeile mit einer unbetonten Silbe, einem Auftakt. Abels Melodie dagegen setzt in den meisten Zeilen mit einer langen, betonten Note ein. Die musikalische Gestaltung ist also gerade gegenläufig zum Text. So entsteht eine schwebende Spannung zwischen Sprache und Musik.

Das sehr persönliche Gedicht, entstanden in scheinbar hoffnungsloser Lage in schlimmer Zeit, mündet am Ende in eine zeitlos gültige Botschaft der Hoffnung, die alle betrifft:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

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