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Choralandacht | 21.01.2017 | 07:50 Uhr
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Allein Gott in der Höh sei Ehr
Autor: Der älteste evangelische Choral stammt nicht von Martin Luther. Sondern von dem Lehrer, Kantor und Prediger Nikolaus Decius. Auch er ein ehemaliger Augustinermönch. Schon Anfang1523 nahm Decius sich den mittelalterlichen Gloria-Gesang der lateinischen Messe vor, brachte ihn frei in deutsche Reime - und genauso frei wandelte er dazu ein uraltes Stück schwebender Gloria-Gregorianik um in eine wunderbar geerdete, tänzerische Melodie. Morgen wird es wieder kaum einen Sonntagsgottesdienst geben, wo nicht die erste Strophe von diesem Choral geschmettert wird. Wovon ich rede? Natürlich von…:
Musik 1 (Chor): Allein Gott in der Höh sei Ehr/ und Dank für seine Gnade,/darum dass nun und nimmermehr/ uns rühren kann kein Schade./Ein Wohlgefalln Gott an uns hat;/ nun ist groß Fried ohn Unterlass,/all Fehd hat nun ein Ende.
Autor: Oft ist es uns nicht bewusst: Ob nun Ende Januar oder Mitte Juli - immer wenn wir diese Strophe singen, dann ist es wie ein kleines... Weihnachtsfest. Denn das ganze Jahr durch verwandeln wir uns mit diesen Versen für einen Moment zu Hirtinnen und Hirten auf den Feldern bei Bethlehem, wir kriegen von einem Engel den Auftrag, uns zur Krippe aufzumachen. Und bevor wir aufbrechen, geschieht es…
Sprecherin: Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Autor: Decius legt uns ein gereimtes Echo dieser Engelsbotschaft in den Mund. Ja er hat sie noch stark unterstrichen mit dem ersten Wort, das er einfach vorn hinzufügt: "Allein Gott in der Höh sei Ehr!" Alle irdischen Machthaber - nicht nur die weltlichen, auch die kirchlichen! - werden so herrlich in ihre Schranken verwiesen. So zieht Decius die Konsequenz aus Weihnachten. Und dann muss zum Beispiel Kirche anders sein, dann muss Gottesdienst anders sein. Dann darf das Gloria nicht in gelehrtem Latein da vorn am Altar nur von den geistlichen Herrschaften gesungen werden. Dann müssen alle mitsingen können in ihrer Muttersprache und zu einer zündenden, behaltbaren Melodie. Deswegen hat Decius diesen ersten evangelischen Choral geschrieben. Der übrigens heute ganz selbstverständlich auch im katholischen Gesangbuch, im Gotteslob steht...
Musik 2 (Orgelvariation)
Autor: Sonntag für Sonntag der gewohnte Gesang - und jedes Mal werden doch eigentlich sehr ungewöhnliche, ja verwegene Verse angestimmt! Gott hat an uns ein Wohlgefallen! "Friede auf Erden"? "Nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende." Aber wir, die das singen, kommen doch aus einer Welt voller Konflikte - und hinterher sind sie alle noch da: die unbeendeten Fehden, vom blöden Nachbarschaftskrach bis zu den Schlagzeilen von den blutigen Anschlägen und Bürgerkriegen. In den Versen von Decius herrscht Gottes Friedensreich ganz und gar - und genauso ungebrochen wird in einer zweiten Strophe der himmlische Vater direkt angesungen:
Musik 1 (Posaunenchor)
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Sprecher (Overvoice): Wir loben, preisn, anbeten dich;/ für deine Ehr wir danken,/ dass du, Gott Vater, ewiglich/ regierst ohn alles Wanken./ Ganz ungemessn ist deine Macht,/ allzeit geschieht, was du bedacht./ Wohl uns solch eines Herren!
Autor: Ach, all die Machtspiele dieser Welt, die kleinen nervenden und die großen grausamen: hier haben sie sich in Wohlgefallen aufgelöst, in Gottes Wohlgefallen zu uns Menschen. Ist das nicht einfach viel zu schön, um wahr zu sein? Decius ist kein realitätsferner Träumer! Die Fortsetzung seines Liedes beweist es:
Musik 3 (Chor)
Sprecher (overvoice): O Jesu Christ, Sohn eingeborn/ des allerhöchsten Vaters,/ Versöhner derer, die verlorn,/ du Stiller unsers Haders,/ Lamm Gottes, heilger Herr und Gott:/ nimm an die Bitt aus unsrer Not,/ erbarm dich unser aller.
Autor: Hader und Not, ja es gibt sie immer noch. Für Decius schließen sich Lobpreis und Seufzerklang nicht aus. Und das hängt offenbar mit Jesus zusammen. Das Kind des allerhöchsten Vaters: ein Bündelchen Mensch ganz unten in der Krippe: "heilger Herr und Gott" wird es hier genannt. Zu dem können wir kommen mit aller Not, allem Hader. Gerade weil er ein ganz anderer Herr ist als die Herren dieser Welt. Decius erläutert uns dieses Geheimnis nicht. Mit der dritten Strophe war sein Lied für ihn zu Ende. Gut, dass Joachim Slüter schon 1525 eine vierte Strophe hinzugefügt hat. Er fand: Gott darf nicht nur als Vater und als Sohn angesungen werden, da fehlt noch was:
Musik 2 (Orgelvariation)
Sprecher (overvoice): O Heilger Geist, du höchstes Gut,/ du allerheilsamst' Tröster:/ vor Teufels G'walt fortan behüt,/ die Jesus Christ erlöset/ durch große Mart'r und bittern Tod;/ abwend all unsern Jamm'r und Not!/ Darauf wir uns verlassen.
Autor: Wirklich ein Geheimnis: wir sind schon erlöst von allem Elend. Wir sind es, weil in Jesus Gott selber alles Elend durchlebt hat, weil Krippe und Kreuz aus demselben Holz geschnitzt sind. Das glauben zu können, wie verwegen! Der Teufel will uns weißmachen, dass die Welt hocken bleiben muss auf ihrem Jammer, ihrer Not. Damit unser schwacher Geist ihm nicht auf den Leim geht, brauchen wir Hilfe vom Heiligen Geist. Wie er helfen kann? Zum Beispiel durch das Gottesgeschenk der Musik. So hat es jedenfalls Martin Luther gesehen, der einem tief in Melancholie versunkenen Kantor einmal schrieb:
Sprecher: Wenn Ihr traurig seid, und es will überhand nehmen, so sprecht: "Auf! Ich muss meinem Herrn Christus ein Lied machen auf der Orgel!" Und greift frisch in die Tasten und singt drein. Kommt der Teufel und gibt euch Eure Sorgen und Gedanken ein, so wehrt euch frisch und sprecht: "Aus! Teufel, ich muss jetzt meinem Herrn Christus singen und spielen." Es ist nichts besser, als ihm flugs so eins auf die Schnauze zu schlagen.
Autor: Welch starkes Bild: der Teufel, der blöde, der wilde Hund, will an dein Seelenlamm heran - und du Hirte, du Hirtin kannst ihm mit einem Lied, fest wie ein Hirtenstab, kräftig auf die Schnauze hauen. So ein Lied, kein Zweifel, ist zum Beispiel unser Choral. Deswegen kann er ruhig jeden Sonntag dran sein. Wie heißt es nämlich am Ende der Weihnachtsgeschichte, nachdem die Hirten das Kind in der Krippe gesehen und als den heiligen Herrn der Welt bezeichnet hatten?
Sprecherin: Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Autor: Sie kehrten um in ihr wahrlich nicht einfaches Leben - und sie sangen. Warum nicht träumen, sie sangen unseren Choral? "Sie priesen und lobten" heißt es in der Bibel. Dann sangen sie gewiss Strophe 2, die genau so anfängt: "Wir loben, preisn". Und sie singen immer noch, ob nun Ende Januar oder Mitte Juli. Und wer mag, der singt mit:
Musik 1 (Chor und Posaunenchor): Wir loben, preisn, anbeten dich;/ für deine Ehr wir danken,/ dass du, Gott Vater, ewiglich/ regierst ohn alles Wanken./ Ganz ungemessn ist deine Macht,/ allzeit geschieht, was du bedacht./ Wohl uns solch eines Herren!
Hinweise zur Textgeschichte:
Andreas Marti: "Allein Gott in der Höh sei Ehr", in:
Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch Heft 6/7 - Die liturgischen Gesänge, Göttingen 2003, S. 32-36.
Das Lutherzitat (Brief an den Organisten Matthias Weller vom 7. Oktober 1534) findet sich im selben Heft auf S. 115. In der Weimaraner Ausgabe: WA Br 7 Nr 2139.
Eine genaue Auslegung des ganzen Briefs:
Ute Mennecke-Haustein: Luthers Trostbriefe. Gütersloh 1989, S. 214-229.