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Kirche in WDR 3 | 21.03.2017 | 07:50 Uhr
„…und mich trotzdem liebst“
Guten Morgen,
seit einigen Jahren bin ich neben meinen Aufgaben in der Bistumsleitung als Seelsorger in einer Jugendhilfeeinrichtung tätig. Anfangs habe ich immer davon gesprochen, dass dort schwer erziehbare Jugendliche leben. Aber das habe ich mir schnell abgewöhnt, denn es wird diesen jungen Menschen in keiner Weise gerecht. Ja – im Leben dieser Mädchen und Jungen ist manches schiefgelaufen, sie sind auffällig und manche sind auch straffällig geworden. Einige haben Erfahrungen mit Drogen gemacht, andere sind gewalttätig geworden, aber das sagt eben bei weitem nicht alles über sie und dass sie so geworden sind, hat seine Gründe.
Seit einiger Zeit treffen wir uns mit einigen dieser Jugendlichen, um gemeinsam Musik zu machen. Wir singen gemeinsam mit jungen Studenten so genannte Lobpreislieder, die ursprünglich aus der freikirchlichen Bewegung kommen. Wenn ich diese Lieder mit ihnen singe, dann fasziniert mich nicht nur die großartige Melodie, ich höre vor allem die Texte ganz anders, weil sie, mit diesen Jugendlichen gesungen, eine viel tiefere Bedeutung bekommen. In einem Lied heißt es:
Sprecherin:
„Und ich danke Dir, dass Du mich kennst und trotzdem liebst.
Und dass Du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Herr Du richtest mich wieder auf,
und Du hebst mich zu Dir hinauf.
Ja, ich danke Dir, dass Du mich kennst und trotzdem liebst.“
„Ja ich danke dir, dass Du mich kennst und trotzdem liebst.“ Ich glaube fest: Wie kaum ein anderes Wort, drückt diese Liedzeile aus, was für ein Geschenk Gott diesen Jugendlichen und jedem Menschen macht. Das ist seine Botschaft in Reinformat.
Diese Jugendlichen haben Fehler in ihrem Leben gemacht, hinter die können sie nicht zurück. Und die Gesellschaft brandmarkt sie mit dem Stempel „schwer erziehbare Jugendliche“. Aber ich bin mir sicher, Gott sieht das völlig anders.
Dazu muss Gott nicht über das hinwegsehen, was sie falsch gemacht haben. Er weiß, um ihre Wutanfälle und ihre Straftaten, er weiß um die Drogen und die Sorgen, die ihr Verhalten ihrer Umwelt bereitet. Er sieht sicher auch voll Trauer auf das Leid, das sie verursacht haben, aber er wendet sich nicht ab, sondern er wendet sich ihnen zu.
So, wie die Erzieher in dieser christlichen Jugendhilfeeinrichtung – weil sie wissen, dass Zuwendung das einzige Heilmittel für sie ist.
Aus dieser Haltung hat Jesus damals radikal gelebt. So ging er mit Menschen um, bei denen manches schiefgelaufen war. Der Zollbeamte Zachäus zum Beispiel war in den Augen vieler so einer. Ausbeuterisch hat er Geld eingetrieben und hat so die Lebensgrundlage vieler notleidender Familien zerstört. Er hätte die Abreibung verdient, die die Menschen von Jesus erwarten, als dieser auf Zachäus trifft. Aber sie werden enttäuscht: Jesus lädt sich beim Zöllner zum Essen ein. Und weil er sich nicht im Zorn abwendet, sondern in Liebe zuwendet, kann Zachäus ein besserer Mensch werden.
„Ja, ich danke Dir, dass Du mich kennst und trotzdem liebst.“
Das ist eine Trostbotschaft für einen wie Zachäus und für die Jugendlichen, mit denen ich zusammenarbeite. Auch ich nehme sie mit in diesen neuen Tag und lade Sie ein, das Gleiche zu tun.
Aus Münster grüßt Sie Domvikar Jochen Reidegeld