Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 21.07.2017 | 07:50 Uhr
DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.
Such, wer da will, ein ander Ziel
Autor: Der Choral „Such, wer da will, ein ander Ziel“ gehört zu den Klassikern im Evangelischen Gesangbuch. Die Geschichte des Liedes beginnt mit einer Hochzeit. Der Königsberger Domkantor Johann Stobäus vertonte 1613 ein Gedicht für ein Brautpaar. Zehn Jahre später schrieb der Theologe Georg Weissel ein ganz anderes Festgedicht zu dieser Musik – nämlich eines zu seiner eigenen Einführung als Pfarrer an der Altroßgärtner Kirche. Es war der dritte Advent 1623 und das Evangelium des Sonntags war die Frage Johannes des Täufers, wer dieser Jesus von Nazareth sei.
Sprecher: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt. (Mt 11,3-5)
Autor: Ist dieser Jesus der Messias, der Retter? Soll man ihm folgen? „Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden; mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen“ – für Georg Weissel ist die Sache klar. Christus allein ist der Maßstab.
Einen inneren Kompass zu haben, ist gut. An bestimmten Werten festzuhalten, kann eine Art Navigationshilfe sein. Welche Werte versuche ich, in meiner Familie vorzuleben? Gelingt das? Wonach entscheide ich, welchen politischen Angeboten ich traue? Bewährt es sich? Das muss ich ja erst mal herausfinden. „Such, wer da will, Nothelfer viel, die uns doch nichts erworben“, dichtet Georg Weissel. Woran erkennt man den, der helfen kann? Das Evangelium, der Bibeltext, über den Georg Weissel am 3. Advent 1623 zu predigen hat, beschreibt es: Der wirkliche Helfer steht auf der Seite der Armen und kümmert sich um die, die in der Gesellschaft am Rand stehen. Er führt Menschen zusammen, die sich gegenseitig ausgrenzen. Bei ihm, bei Jesus Christus, ist das Heil zu finden. Da wird das Leben ganz. Alles andere: ein Irrweg.
Musik: Orgel, instrumental
Sprecherin: Ach sucht doch den, lasst alles stehn, die ihr das Heil begehret;er ist der Herr, und keiner mehr, der euch das Heil gewähret. Sucht ihn all Stund von Herzensgrund, sucht ihn allein; denn wohl wird sein dem, der ihn herzlich ehret.
Autor: Gerade noch hat unser Textdichter gelehrt und gepredigt, was es mit Jesus Christus auf sich hat, jetzt mahnt er, bittet eindringlich: Sucht das Heil nicht auf falschen Wegen! Das alles wirkt plötzlich aktuell. Die Mitte der Gesellschaft, die heute Anfang 50jährigen –angekommen in Beruf und Familie, viele persönliche Ziele erreicht – sie wirken oft so abgestumpft, tun so gleichgültig. Es sind dieselben, die vor gut 30 Jahren auf den Ostermärschen für Frieden und Abrüstung auf die Straßen gingen, viele jedenfalls, die Früchte aus Südafrika boykottierten, weil dort Apartheid herrschte, die durchaus einen Kompass hatten für das, was richtig oder falsch war. Und heute? Belanglosigkeiten. Facebook teilt mit, Jan sei gestern Abend zwölf Kilometer gelaufen oder Birgitt habe erfolgreich am Basiskurs einer Grill-Akademie teilgenommen. Das wird in Zukunft nicht reichen. Denn es treten Akteure auf, die wieder Heil versprechen, einfache Lösungen. Die plötzlich ganz allein bestimmen wollen, was wahr ist oder falsch, wer dazugehört und wer nicht, welche Religion genehm ist und welche Hautfarbe.
Georg Weissel konnte nicht ahnen, welche Wirkung seine Verse zu anderen Zeiten entfalten. Wenn die Zeiten rau sind, wenn sich um mich herum so viel verändert, dann muss ich eine innere Heimat haben. Einen Ort, an dem ich mich sicher fühle. Wohin ich immer wieder zurückkehren kann. Dann weiß ich, was sich bewährt und was mich trägt. Dann kann ich leben und entscheiden.