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Kirche in WDR 3 | 05.12.2017 | 07:50 Uhr
Dem anderen werden, wie er
Guten Morgen,
Elke ist 69 Jahre und hat sich vor drei Jahren im Kindergottesdienst angemeldet. Als Mitarbeiterin. Elke ist zwar selbst schon Oma, aber ihre drei Enkel wohnen weit weg. Nach ein paar Wochen hab ich sie gefragt, wie es ihr geht als älteste Mitarbeiterin im Kindergottesdienst. Und ihre Antwort war umwerfend:
„Ja – da liegen 60 Jahre zwischen den Kindern und mir. Da kann ich nicht erwarten, dass sie so werden wie ich. Ich muss den Kindern ein Kind werden. Das hab ich vom Paulus, der sagt: Du musst dem anderen das werden, was er selbst ist. Bei Paulus war das damals eben den Juden ein Jude und den Schwachen ein Schwacher werden. (1. Korintherbrief 9, 19-24) Gilt aber noch heute. Ich glaube, so soll man das generell machen in der Gemeinde und im Leben. Ich finde das ja gut, dass die Kirche jetzt auch Kinder so richtig ernst nimmt. Dass sie nicht nur einfach die Jesusgeschichten erzählt, und sagt, so ist das gemeint, glaubt das so. Also, leichter wäre das schon. Nur einfach was erzählen... Letztens haben wir mit den Kindern gebastelt, wie wir uns Gott vorstellen. Was war das viel Vorbereitung. So viel Bastelzeugs, zwei Tische voll, ich hab schon innerlich geflucht und gefragt: Muss das sein? Aber dann hat Lenn so ein Raumschiff gebaut, wie aus diesem Film, den er mit seinem Papa gesehen hat. Und hat dann erklärt: `Gott ist ein Raumschiff. Mit Gott kommt man überall hin, er ist immer um einen rum.` Ich war so stolz und begeistert - Gott ist wie ein Mutterraumschiff! Und Greta hat ein Nest gebaut, aus Moos mit Blumen dekoriert, und Blättern zum zudecken. Da ist mir ganz warm ums Herz geworden.
Sich so in Gott einkuscheln, das brauchen ja nicht nur Kinder. Ich sitze ja auch oft alleine abends. Ohne Kindergottesdienst wäre mein Leben so viel leerer. Manchmal kostet mich das auch Überwindung, ja. Ich bin ja die Älteste hier, aber ich geh immer wieder hin. Meine Tochter sagte neulich am Telefon: `Mama, du bist ja kindergottesdienstsüchtig!`
Apropos. Neulich war da eine Mutter im Kindergottesdienst, so eine Perfekte, sieht immer gut aus, ihr Sohn hat immer Gemüse dabei, Sie wissen schon. Am Ende des Kindergottesdienstes haben wir mit den Kindern Brot mit einem Schokoladenstück gegessen. Als ich kurz raus bin kam diese Bilderbuchmama hinterher und fing an, von wegen „die Schokolade ist nicht gesund, das Brot ist auch nicht selbst gebacken“.
Und ich frag sie: `Sie backen ihr Brot selbst?`
`Ja`, sagt sie ganz aggressiv, `ich tue hier alles für meine Familie und Sie geben meinem Sohn einfach Schokolade auf Weißbrot!`
Und ich staune: `Das ist ganz schön viel Arbeit, sein Brot selber zu backen.`
`Ja, ganz schön viel`, sagt sie.
`Zuviel`, sage ich.
`Ja`, sagt sie und ich sehe wie ihre Augen feucht werden.
Und dann hab ich ganz schnell gesagt: `Ich finde, für diese Leistung haben Sie sich sogar zwei Stück Schokolade ohne Brot verdient.`
Und dann hat sie gelächelt, als ich ihr die Stücke hingehalten hab und ich hab mir geschworen, bei meiner Tochter einfach mal den Rand zu halten. Soll sie meinen Enkeln kaufen, was sie meint. Man muss auch den Mamas Mama werden und den Töchtern Töchter.
Hier endete Elkes begeisterter Rückblick auf die ersten Monate als Kindergottesdiensthelferin. Glücklich guckte sie mich an und ich habe zurück gelächelt und gesagt: „Was für ein Segen, dass Du hier mitmachst.“
Es grüßt Sie, Katrin Berger, Pfarrerin in Hamm.