Beiträge auf: wdr3
Choralandacht | 31.03.2018 | 07:50 Uhr
DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.
Christ lag in Todes Banden (eg 101)
Musik 2: Victimae Paschali laude Autor
Autor: Heute Nacht jährt sich ein epochemachendes Ereignis. Von Anfang an ist ein Streit darüber entbrannt, ob es überhaupt stattgefunden hat. Aber selbst wenn es nicht stattgefunden hat, epochemachend war es allemal. Und allein das ist schon ein Wunder.
Ostern ist ein Fest gegen jeden Augenschein. Kein Wunder also, dass Maria Magdalena, die Freundin Jesu, den Auferstandenen für den Gärtner hielt, so berichtet es das Evangelium des Johannes im 20. Kapitel.
Sprecher: Spricht Jesus zu ihr: „Weib, was weinest du? Wen suchest du?“ Sie meint, es sei der Gärtner.
Autor: Und wo der Augenschein versagt, läuft die Sprache und die Fantasie zur Hochform auf. In mittelalterlichen Osterspielen brach das Publikum jedes Mal in schallendes Gelächter aus, wenn diese drei Worte fielen:
Sprecher: mors mortem devoravit – den Tod fraß der Tod.
Autor: Eine tragische Vorstellung, wenn einer sich selber verschlingt oder von einem Artgenossen verschlungen wird. Der Tod als Kannibale seiner selbst …
Jedenfalls bringt das Ostergeschehen nicht nur den Tod in Bedrängnis, sondern auch Menschen, die noch leben, denn angesichts der biblischen Berichte über das Ostergeschehen werden irdische Erfahrungen ad absurdum geführt. Der Evangelist Markus berichtet von drei Frauen, die am Sonntag in der Frühe den Leichnam Jesu salben wollten. Doch der Leichnam war verschwunden; das Grab war leer, und ein Engel erläuterte ihnen, was in der Nacht geschehen sei.
Sprecher: Und sie gingen schnell heraus und flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen. Und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich.
Musik 1: Messiaen
Autor (overvoiced): Der biblische Befund ist eindeutig.
Am Anfang war der Schrecken und nicht die Freude.
Musik 2 Victimae Paschali laude
Autor (darüber): Das ist eine über 1000 Jahre alte Melodie, eine mittelalterliche Ostersequenz. Längst scheinen Furcht und Schrecken überwunden. Der Apostel Paulus hatte in seinem ersten Brief an die Korinther eine Menge Zeugen aufgeführt, die angaben, dem Auferstandenen begegnet zu sein. Die Erscheinungen des Auferstandenen machten das leere Grab plausibel. Die Osterfreude setzte sich durch. In der Ostersequenz ist die Rede von einem Duell, einem Duell zwischen Tod und Leben.
Paulus hatte den österlichen Sieg mit gewaltigen Worten in die Welt geschleudert; Nach den Erzählungen der Evangelien hatten die Kriegsknechte Jesus verspottet. Er, Paulus, verspottet nun Tod und Hölle.
Sprecher: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?
Autor: Martin Luther hat sich von der alten Ostersequenz ein halbes Jahrtausend nach ihrer Entstehung begeistern lassen, besonders von jener Stelle, da das Leben das Duell mit dem Tod für sich entscheidet. Die Musik glättet ein wenig die holzschnittartige Dichtung Luthers.
Musik 3: Christ lag in Todesbanden
Sprecher (0vervoice)
Es war ein wunderlich Krieg,
da Tod und Leben ’rungen;
das Leben behielt den Sieg,
es hat den Tod verschlungen.
Die Schrift hat verkündet das,
wie ein Tod den andern fraß,
ein Spott aus dem Tod ist worden.
Halleluja.
Autor: mors mortem deravit, den Tod fraß der Tod. Hier bei Luther feiert er fröhliche Urstände, der zum Lachen reizende mittelalterliche Spruch.
Johann Sebastian Bach war knapp 200 Jahre später als gut 20jähriger entzückt über diese absurde Szene und hat ihr in seiner Choralkantate ein rasant tönendes Denkmal komponiert. Es ist, als wenn der Tod „Hasch mich doch“ mit sich selber spielte. Hören Sie also mit den Ohren Sebastian Bachs, wie ein Tod den andern fraß und wie ein Spott aus dem Tod geworden ist.
Musik 4 Christ lag in Todesbanden (Bachkantate)
Autor: Heute Nacht jährt sich ein epochemachendes Ereignis. Von Anfang an ist ein Streit darüber entbrannt, ob es überhaupt stattgefunden hat. Aber selbst wenn es nicht stattgefunden hat, epochemachend war es allemal. Und allein das ist schon ein Wunder.
Die Grabeskirche in Jerusalem, unweit der jüdischen und muslimischen Heiligtümer gelegen, gilt vielen als das wichtigste christliche Heiligtum. Viele gehen davon aus, dass Jesus von Nazareth auf diesem Territorium begraben worden und auferstanden sei. Ein leeres Grab als Stätte der Verehrung und Anbetung. Und was für ein Aufwand für einen Ort, wo nichts zu finden ist. Eine Grabkapelle drumherum, die wiederum von einem riesigen Kuppelbau umfasst ist. Aufwendigste Architektur mit tausenden Kerzen und Räucherwerk, als Rahmen und Ambiente für die Leere, für die verstörende Abwesenheit dessen, den Maria Magdalena, die Liebende, einstmals für den Gärtner hielt. Wo nichts ist, kann vieles werden. Ostern als neuer Anfang, Ostern als Neubeginn der Schöpfung, Ostern als Vertrauen in die Zukunft. „Christ lag in Todes Banden“: Johann Sebastian Bach befreit in seiner Kantate das Halleluja aus der vorgegebenen Melodie des Lutherchorals, komponiert es neu und entlässt es in die Freiheit wie eine Lerche, die sich in die Luft erhebt.
Musik 5: Christ lag in Todesbanden
Musikinformationen
Musik 1
Titel: Le Corps Glorieux
Interpretin: Jennifer Bates
Komponist: Olivier Messiaen
Label: Treasure Island
Copyright: 2015 Treasure Island
Musik 2
CD-Name: Anno Domini – Geistliche Chormusik aus zwei Jahrtausenden
Titel: Christ lag in Todesbanden
Text: Martin Luther
Melodie: Martin Luther
Chor: Collegium vocale Siegen, Bach-Chor Siegen
Leitung: Ulrich Stötzel
Verlag: Schulte & Gerth
Label: Gerth Medien Gmbh
LC-Nr.: 00895
Best.Nr.: 939200
EAN:4029856392004
Musik 3
CD-Name: Erschienen ist der Herrlich Tag
Titel: Christ lag in Todesbanden
Text: Martin Luther
Melodie: Martin Luther
Chor: Wilhelmshavener Vokalensemble
Leitung: Ralf Popken
Verlag: Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH
Label: edition Chrismon
LC-Nr.: 99999
Musik 4
CD-Name: Christ lag in Todesbanden BWV 4:Versus 4
Titel: Es war ein wunderlicher Krieg
Interpreten: Emily Van Evera/Caroline Trevor/Charles Daniels/David
Thomas/Andrew Parrott
Komponist: Johann Sebastian Bach
Label: Warner Classics
Copyright: ? 1990, 1994 Erato/Warner Classics, Warner Music UK Ltd. © 2000 Erato/Warner Classics, Warner Music UK Ltd.
EAN: unbekannt – ASIN lässt sich nicht umwandeln
Musik 5
CD-Name: Martin Luther – Ein feste Burg
Titel: Christ lag in Todesbanden
Text: Martin Luther
Melodie: Martin Luther
Chor: Gächinger Kantorei, Bach-Collegium Stuttgart
Leitung: Helmuth Rilling
Verlag: Hänssler Verlag
Label: hänssler
LC-Nr.: 06047
Best.Nr.: 394004
EAN: 9783775140041