Beiträge auf: wdr3
Choralandacht | 12.05.2018 | 07:50 Uhr
DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.
O komm, du Geist der Wahrheit
Musik 1:
Autor: Glauben Sie eigentlich an Geister? Häufig gesichtet wird ja zum Beispiel der Zeitgeist. Eigentlich ist das ein harmloser Geselle. Wir kennen ihn seit dem späten Mittelalter und er steht für die Denk- und Fühlweise, die Mentalität, einer bestimmten Epoche. Aber er hat kein gutes Image. Johann Wolfgang von Goethe meinte dazu:
Sprecher: „Wenn eine Seite nun besonders hervortritt, sich der Menge bemächtigt und in dem Grade triumphiert, daß die entgegengesetzte sich in die Enge zurückziehen und für den Augenblick im stillen verbergen muß, so nennt man jenes Übergewicht den Zeitgeist, der denn auch eine Zeitlang sein Wesen treibt.“
Autor: Hans Magnus Enzensberger nannte den armen Zeitgeist borniert. er wird immer mal wieder missbraucht, zum Beispiel wenn einer dem anderen vorwirft, er würde mit seiner Meinung dem Zeitgeist hinterherlaufen. Aber wie gesagt, eigentlich ist er harmlos.
Musik 1:
Autor: Viel ungemütlicher dagegen ist der Geist des Postfaktischen. Den gibt es, seit Menschen miteinander kommunizieren. Bislang hatte der sich immer gut versteckt. Aber seit dem Brexit, der Neuwahl des US-Präsidenten und dem Erstarken des Rechtspopulismus in Europa treibt er offen sein Unwesen. 2016 wurde er von der Gesellschaft für deutsche Sprache sogar zum Geist des Jahres gewählt. Dieser Geist sorgt dafür, dass es auf die Wahrheit nicht mehr so ankommt. Was zählt, ist die Behauptung und welche Stimmung sie erzeugt. So tritt die Wahrheit einer Aussage hinter ihre emotionale Wirkung zurück oder verschwindet gleich ganz hinter ihr. Und wenn er weht, dieser Geist des Postfaktischen, wird eine Lüge nicht mehr Lüge genannt, sondern man spricht plötzlich von alternativen Fakten.
Dieser Geist tut uns überhaupt nicht gut. Viele befürchten, dass dieser Geist bereits jetzt die Öffentlichkeit entmündigt und auf Dauer unsere demokratischen Prinzipien zerstören könnte. Und vor allem wird es immer schwieriger, an die guten Geister zu glauben, die ja auch da sind. In wenigen Tagen ist Pfingsten und Christen bitten dann – aber nicht nur dann – um einen ganz besonderen Geist.
Musik 2, Vorspiel
Musik 3, Choral (1. Strophe)
Sprecherin (overvoiced): O komm, du Geist der Wahrheit, / und kehre bei uns ein, / verbreite Licht und Klarheit, / verbanne Trug und Schein. / Gieß aus dein heilig Feuer, / rühr Herz und Lippen an, / daß jeglicher getreuer / den Herrn bekennen kann.
Autor: Philipp Spitta, der Autor dieses Liedes, lebte von 1801 bis 1859. Er war ein begabter Musiker und Dichter, Pfarrer und Ehrendoktor der Theologischen Fakultät Göttingen. Und er war nach allem, was wir wissen, als Vertreter der lutherischen Erweckungsbewegung kein Freund irgendwelcher Zeitgeister. Vielmehr trug er eine tiefe Sehnsucht in sich nach dem einen Geist, den seine Welt damals offensichtlich genauso dringend brauchte wie unsere Welt heute.
Aber der Wahrheit ins Gesicht zu sehen ist nicht immer angenehm. Klartext zu reden nicht immer einfach. Und darum weist uns Philipp Spitta auf einen anderen Aspekt des pfingstlichen Geistes hin:
Musik 3, Choral (2. Strophe)
Sprecherin (overvoiced): O du, den unser größter / Regent uns zugesagt, / komm zu uns, werter Tröster, / und mach uns unverzagt. / Gib uns in dieser schlaffen / und glaubensarmen Zeit / die scharf geschliffnen Waffen / der ersten Christenheit.
Autor: Jesus selbst hat den Geist der Wahrheit im Johannesevangelium auch „Tröster“ genannt. Ihm war schon klar, dass seine Freundinnen und Freunde nach seinem Tod etwas mehr brauchten als nur jemanden, der ihre Trauer besänftigen und ihren Schmerz lindern würde. Tatsächlich hat das Wort „Trost“ von seiner althochdeutschen bzw. germanischen Wurzel her mehr mit Vertrauen als mit Trauer zu tun. Es meint Ermutigung, Zuversicht, innere Festigkeit. Wenn also der Geist der Wahrheit uns in diesem Sinne tröstet, dann macht er uns mutig, zuversichtlich und innerlich fest. Oder anders gesagt: Er stiftet in uns das Vertrauen, dass Gott schon was Gutes vorhat mit seiner Welt. Ich kann dann klar erkennen, was wahr ist und was nicht, habe den Mut Position zu beziehen und bekomme ein Gespür dafür, was unsere Gesellschaft tatsächlich für eine gute Zukunft aller braucht und was nicht.
Musik 3, Choral (3. Strophe)
Sprecherin (overvoiced): Unglaub und Torheit brüsten / sich frecher jetzt als je; / darum mußt du uns rüsten / mit Waffen aus der Höh. / Du mußt uns Kraft verleihen, / Geduld und Glaubenstreu / und mußt uns ganz befreien / von aller Menschenscheu.
Autor: Ich brauche jetzt nicht unbedingt Waffen und Rüstungen, auch nicht aus der Höhe. Aber der Frechheit des postfaktischen Geistes möchte ich schon etwas entgegensetzen. Und ich würde gern meiner eigenen Ängstlichkeit etwas entgegensetzen, die mich immer mal wieder daran hindert, dass ich mich einmische, wenn der gute Geist der Wahrheit gebraucht wird. Vielleicht muss ich mich dann erinnern, was der Apostel Paulus uns Christenmenschen ins Stammbuch schrieb: Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Diesen Geist wünsche ich mir – damit ich, wenn es nötig ist, aufstehen kann, das Rechte sagen und der Angst widersprechen kann, in Liebe und Besonnenheit.
Musik 3, Choral (4. Strophe)
Sprecherin (overvoiced): Es gilt ein frei Geständnis / in dieser unsrer Zeit, / ein offenes Bekenntnis / bei allem Widerstreit, / trotz aller Feinde Toben, / trotz allem Heidentum / zu preisen und zu loben / das Evangelium.
Autor: Dazu macht mir dieser Choral Mut: Zu preisen und zu loben das Evangelium, die frohmachende und freimachende Botschaft, dass Gott Gutes im Sinn hat für seine Schöpfung und seine Menschen. Deswegen möchte ich in dieser Zeit mehr den guten Geistern Gottes vertrauen als den anderen: dem Geist der Wahrheit, dem Geist des Trostes, dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Bei allen guten Geistern – so kann es Pfingsten werden – für uns und in uns.
Sprecherin: (ggf. overvoiced)
Du Heilger Geist, bereite / ein Pfingstfest nah und fern; / mit deiner Kraft begleite / das Zeugnis von dem Herrn. / O öffne du die Herzen / der Welt und uns den Mund, / daß wir in Freud und Schmerzen / das Heil ihr machen kund.
Musik 3, Choral (7. Strophe)
Du Heilger Geist, bereite / ein Pfingstfest nah und fern; / mit deiner Kraft begleite / das Zeugnis von dem Herrn. / O öffne du die Herzen / der Welt und uns den Mund, / daß wir in Freud und Schmerzen / das Heil ihr machen kund.
Musik I.
Büro-Archivnummer 095
CD-Titel:Klingendes Gesangbuch
Track-Titel:Lob Gott getrost mit Singen
Track-Nr.11
Komponist:Böhmische Brüder, Otto Riethmüller
Texter:Böhmische Brüder
Interpret:Bernd Dietrich (Orgel), Simone Spaeth (Trompete)
Verlag:Medienservice B&A Dietrich GbR, Nürnberg
LC-Nr.:10551
Label:MS Classic
Best.Nr.:3981031369
EAN:9783981031362
Musik II.
Büro-Archivnummer 130B
CD-Titel:Singt, singt dem Herren neue Lieder
Track-Titel:Lob Gott getrost mit singen
Track-Nr.3
Komponist: Böhmische Brüder, Otto Riethmüller
Texter:Böhmische Brüder
Interpret:Carl-Gustav Naumann; Helmut Gleim, Jürgen Irmscher
Verlag:Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen
LC-Nr.:00212
Label:Selbstvermarkter
Musik III.
BüroArchiv-Nr.: 191
CD-Titel:Was Gott tut das ist wohlgetan
Track-Titel:O komm du Geist der Wahrheit
Track-Nr.13
Komponist:Böhmische Brüder
Texter:Philipp Spitta
Chor:Solistenensemble
Leitung:Gerhard Schnitter
Verlag:hänssler
LC-Nr.:07224
Label:scm hänssler