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evangelisch

Choralandacht | 09.06.2018 | 07:50 Uhr

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Schmück dich, o liebe Seele (eg 218)

Musik 1 (Orchester)

Autor: Eine alte Choralmelodie, von Johannes Brahms ein Jahr vor seinem Tod in romantische Musik gehüllt. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts, war dieser Choral immer noch der mit Abstand beliebteste Gesang zum Abendmahl - obwohl er schon Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden war. „Schmücke dich, o liebe Seele“ - so fängt er an. Er steht immer noch im evangelischen Gesangbuch, wird aber nur noch sehr selten im Gottesdienst gesungen.

Musik 1

Autor: An der schönen, schlichten Melodie von Johann Crüger liegt das bestimmt nicht. Eher an den Versen von Johann Franck. Nein: das ist keine Sprache von heute:

Sprecherin: Schmücke dich, o liebe Seele,/ lass die dunkle Sündenhöhle,/ komm ans helle Licht gegangen,/ fange herrlich an zu prangen!/ Denn der Herr voll Heil und Gnaden/ will dich jetzt zu Gaste laden;/ der den Himmel kann verwalten,/ will jetzt Herberg in dir halten.

Autor: Das Abendmahl wird meist ruhig und gesittet gefeiert - in diesem Choral wird es mit sehr bewegten Worten geschildert. Ein Treffen von ganz oben und ganz unten: Von seinem Himmelreich herab kommt Jesus und lädt an seinen Tisch in der Kirche ein. Und wer als Gast mitfeiert, kann von tief unten aus der Sündenhöhle hochkommen, aller Macken zum Trotz. Und er muss nicht geduckt im Büßerhemd heranschleichen. Aufrechten Ganges und als glänzende Erscheinung tritt er an den Tisch des Herrn. Und weil der heilen und vergeben kann, wird die dunkle Seele in eine liebe Seele verwandelt. Er vergibt, indem er sich gibt: als Bissen Brot und Schluck Wein.

Musik 2 (Chor und Orchester)

Sprecherin: Ach wie hungert mein Gemüte,/ Menschenfreund, nach deiner Güte;/ach wie pfleg ich oft mit Tränen/ mich nach deiner Kost zu sehnen;/ ach wie pfleget mich zu dürsten/ nach dem Trank des Lebensfürsten,/ Wünsche stets dass mein Gebeine/ sich durch Gott mit Gott vereine.

Autor: Mit dreimal wiederholtem „Ach!“ hungert und dürstet hier einer nach Brot und Wein beim Abendmahl. Denn für ihn ist genau damit Güte und echtes Leben zu kriegen. Sehnsüchtig klingen die Worte. Das wird verständlich, wenn man weiß, in welch entbehrungsreicher Zeit Johann Franck gelebt hat. Anfang Juni 1618 - also vor genau 400 Jahren - wurde er in Guben (in der Niederlausitz) geboren. 1618: Geburtsjahr auch des 30jährigen Krieges! An dessen Ende lebten nur noch 25 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. In den letzten Kriegsjahren wurde das bis dahin verschonte Guben von plündernden Soldatenhaufen schwer heimgesucht - und Franck hielt aus, lebte dort als Rechtsanwalt in rechtloser Zeit und half wo er konnte. Und zwischendurch ist er Dichter! Er schreibt Liebesgedichte an die Frau seines Herzens - und dichtet im selben Tonfall geistliche Verse. Der lieblosen Brutalität auf der Straße setzt er den Wunsch entgegen: dass beim Abendmahl in der Kirche sich seine Gebeine mit Gott vereinen mögen. So der O-Ton von Franck - heute heißt es an der Stelle im Gesangbuch etwas weniger anstößig: „dass in diesem Brot und Weine, Jesus sich mit mir vereine“. In einer ganz weggestrichenen Strophe fordert Franck ausdrücklich dazu auf, beim Abendmahl Jesus und sich selbst als zärtlich ineinander verliebtes Paar zu verstehen:

Musik 3 (Orgel)

Sprecherin: Eile, wie Verlobte pflegen,/ deinem Bräutigam entgegen,/ öffne ihm die Geistes-Pforten:/ Red ihn an mit schönen Worten: „Komm, mein Liebster, lass dich küssen!/ Laß mich deiner nicht mehr missen.“

Autor: Abendmahl als göttlich-menschlicher Liebeskuss? Wie befremdlich - weg damit! Aber: Franck nimmt nur ernst, dass in der Bibel an so mancher Stelle steht: Gott liebt uns wie ein Bräutigam seine Braut! Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, wird die Vision von einem neuen Jerusalem mitgeteilt: sie sei eine heilige Stadt, „die bereitet ist wie eine geschmückte Braut für ihren Mann“. Der diese Vision aufschrieb, hatte ein irdisches Jerusalem vor Augen, das ganz unten im Dunkel der Gewalt war - mit einem total zerstörten Tempel mittendrin. Franck dichtet von einer einzelnen Seele als einer geschmückten Braut Gottes - hier ist es gleich eine ganze Stadt. Passt das zusammen? Ich bin überzeugt: Franck würde im Blick auf sich und sein geliebtes und so schwer heimgesuchtes Guben sofort sagen: Aber klar! Die letzte Strophe des Liedes deutet an, warum.

Musik 1 (Orchester):

Sprecherin: Jesu, wahres Brot des Lebens,/ hilf, dass ich doch nicht vergebens/ oder mir vielleicht zum Schaden/ sei zu deinem Tisch geladen./ Lass mich durch dies heilge Essen/ deine Liebe recht ermessen,/ dass ich auch, wie jetzt auf Erden,/ mög dein Gast im Himmel werden.

Autor: Das Abendmahl vergeblich feiern oder zum eigenen Schaden? Wie könnte das geschehen? Johann Franck denkt hier wohl an die deutliche Kritik, die Paulus im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth niederschrieb. Er hatte gehört, dass dort einige mit vollem Bauch zum Abendmahl erschienen, andere aber mit knurrendem Magen - und den Satten waren die Hungrigen egal. Dazu schrieb Paulus wörtlich: So feiert ihr Abendmahl zum Schaden, zum Schlimmen! Nein, auch für Franck ist klar: die einzelne Seele kann nicht für sich allein die geliebte Braut Gottes sein. Der Blick auf den Nachbarn gehört dazu. Wer wirklich Gottes Liebe in der Kirche beim Abendmahl empfängt, der teilt sie mit den anderen und trägt sie hinaus auf die Straßen seiner Stadt. Johann Franck hat das gemacht. 1648, im letzten Jahr des 30jährigen Kriegs, hat man den treuen Mann zum Ratsherrn in Guben ernannt, später gar zum Bürgermeister - und das blieb er dann bis zu seinem Tod. So konnte er helfen, dass die Stadt in der Nachkriegszeit hier und da wieder den Schimmer einer schmucken Braut bekam.1.03

Musik 3

Autor: Schön, dass dieses fremdgewordene Liebeslied immer noch im Gesangbuch steht. Und schön, dass Johann Crüger - auch er übrigens aus Guben! - eine so feine Melodie dazu schuf. Ich möchte den beiden einen Gruß senden - über die Jahrhunderte hinweg. Am besten eine kleine Liebesgeschichte. Und zwar eine aus … Guben. Seit 1945 trennt die Neiße die Stadt in das deutsche Guben und das polnische Gubin. Lange Zeit war Funkstille. Nun gibt es einen deutschen und einen polnischen Bürgermeister, die einander duzen, an der Grenzdurchlässigkeit arbeiten und sich darüber freuen, dass inzwischen 250 polnisch-deutsche Ehen geschlossen wurden. Am Ende des 2. Weltkriegs wurde die große Stadtkirche, in der Franck immer das Abendmahl empfing, schwer beschädigt. Eine riesige Ruine für Jahrzehnte, mitten in Gubin. Nun wird die Kirche wieder aufgebaut, ein deutsch-polnisches Kommunikationszentrum soll entstehen. Der Turm ist schon fertig, heute genau vor einem Jahr, am 9. Juni 2017, wurde als i-Tüpfelchen wieder eine Wetterfahne auf dem Turmdach angebracht. Von hier oben: ein herrlicher Blick auf die geteilte Stadt. Gewiss geschieht da unten auch viel Liebloses und Mieses. Von hier oben aber sehe ich gleichzeitig: ein bräutlicher Schimmer schmückt Guben und Gubin. Mit offenen Grenzen, mit Menschen, die sich begegnen: ein kleiner Vorgeschmack aufs Himmelreich.

Musik 4 (Bach , Chor und Orchester): ... dass ich auch, wie jetzt auf Erden,/ mög dein Gast im Himmel werden.

Musik 1:

CD-Titel: Johannes Brahms Symphony No.2/ Choralvorspiele.

Track-Titel: Schmücke dich, o liebe Seele (arr. Henk de Vlieger)

Track-Nr.: 06

Chor: Radio Filharmonisch Orkest,

Leitung: Jaap van Zweden.

Label: Columns Classics

Musik 2:

CD-Titel: Gottfried Heinrich Stölzel / Brockes Passion.

Track-Titel: Ach, wie hungert mein Gemüthe.

Track-Nr.: CD1, Track 6:

Chor: Kammerchor und Telemann-Kammerorchester Michaelstein

Leitung: Ludger Remy.

Label: cpo

LC-Nr: 08492

Musik 3:

CD-Titel: Die Orgeln von Gottfried Silbermann.

Track-Titel: Johann Caspar Vogler: Variationen über „Schmücke dich…“

Track-Nr.: 10

Interpret: Wolfgang Bongratz

Label: querstand

LC-Nr: 03722.

Musik 4:

CD-Titel: Bach-Kantaten

Track-Titel: Jesu, wahres Brot des Lebens

Track-Nr. 7

Komponist: Johann Sebastian Bach

Texter: Anonymus

Chor: Bach-Collegium-Japan

Leitung: Masaaki Suzuki

Label:BIS Records

Best.Nr.:1401

EAN:7318590014011

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