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Choralandacht | 29.09.2018 | 07:50 Uhr
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Vertraut den neuen Wegen (eg 395)
Autorin: „Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen, und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen“, So hat es Meister Eckhart gesagt, ein Philosoph aus dem 13. Jahrhundert.
Etwas Neues beginnen, dem Zauber des Anfangs vertrauen. So wie in diesem Choral:
Musik 1: Choral (1. Strophe)
Sprecherin (overvoice)
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.
Autorin: Menschen ziehen weg, brechen alle Zelte ab, fangen anderswo wieder neu an. Aus persönlichen Gründen oder beruflich. So wie Chris, ein Student, der sein Studium gerade mit dem Master beendet hat. Vor drei Tagen ist er nach Neuseeland aufgebrochen. Um dort für ein Jahr als Au-pair zu arbeiten, bevor er dann sein Referendariat in Deutschland beginnt. Er hat sich intensiv vorbereitet und Abschied gefeiert. Von Eltern und Freunden.
Von Gewohntem und Vertrautem. Zwischen Vorfreude und Erwartung, aber auch Ungewissheit und Fragen.
Sprecher: „Wie wird es werden? Was erwartet mich? Komme ich mit den neuen Aufgaben zurecht, mit der Familie, den Kindern? Wie klappt das mit dem Englisch?“
Autorin: Der Choral singt davon: „Vertraut den neuen Wegen.“ Und er erzählt von Menschen, die sich auf den Weg machen, ausziehen, Neues entdecken. So wie gerade Chris in Neuseeland. So wie Studierende, die an einem neuen Ort, einer großen Stadt, einem neuen Studienfach in ein paar Tagen mit dem Semester beginnen.
Alles ist neu, fremd und aufregend.
So wie Menschen, die einen Orts- oder Stellenwechsel vor sich haben und von einer Stadt in die andere umziehen. Ihnen will das Lied Mut zusingen: „Vertraut den neuen Wegen.“
Menschen ziehen weg, brechen auf, gehen ein Wagnis ein. „Weil Leben heißt, sich regen, weil Leben wandern heißt.“ Wahrscheinlich kann Jede und jeder von uns von Wegstrecken, von Wanderungen im Leben erzählen. Von Joggingstrecken im Park, Spaziergängen durch den Wald. Von steilen Pfaden in den Bergen, dem anstrengenden Vorwärtskommen im Sand.
Aber auch vom Gipfelglück, wenn das Ziel erreicht ist, das Ende des Weges geschafft.
Doch was ist mit denen, deren Weggang erzwungen ist. Die keine andere Wahl haben als auszuwandern, zu fliehen, Heimat und Familie zu verlassen, um Leib und Leben zu retten. Können sie mit einstimmen in den Gesang?
Musik 2 instrumental
Autorin: Die Jazzversion des eben gehörten Chorals bringt mir das Lied noch einmal ganz anders nahe. Als suche jemand nach einer Melodie. So wie ich auch manchmal nach Mut und Zuversicht suche. So wie Menschen auf der Flucht nach Heimat suchen.
So wie Studierende nach Orientierung und Halt fragen.
Zögerlich tastet die Melodie nach Linie und Rhythmus. Wiederholt immer wieder die ersten Takte, als brauche es Anlauf für den Aufbruch, das Loslaufen und Loslassen. Und mein Gefühl im Blick auf die Zukunft kommt diesem Tasten und Suchen manchmal sehr nahe.
Musik 2 instrumental
Autorin: Der Text des Liedes ist da viel zuversichtlicher, als ich es manchmal bin.
Aber ich kann an seine Worte anknüpfen. Kann mich besinnen auf Glaubenserfahrungen, die Generationen von Menschen vor mir immer wieder gemacht haben, in biblischer Zeit bis heute. Gott geht mit in die Zukunft. Wirbt für Vertrauen, gegen die Angst. „Vertraut den neuen Wegen!“
Sprecher: „Und der Herr sprach zu Abraham: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ 1. Mose 12.
Autorin: Die Bibel ist von ihrem Anfang her voller Aufbrüche und Neuanfänge.
Diese Stelle aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 12, die vom Aufbruch Abrahams und seiner Frau Sara in das Land Kanaan erzählt, war der Bibeltext in jenem Gottesdienst am 4. August 1989 in Eisenach, in dem das Lied zum ersten Mal gesungen wurde. Es war ein Traugottesdienst, und Klaus-Peter Hertzsch, Studierendenpfarrer und Professor an der der Universität Jena, hatte den Liedtext für sein Patenkind geschrieben, das an diesem Tag getraut wurde.
Musik 1: Choral (2. Strophe)
Sprecherin (overvoice)
Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.
Autorin: „Vertraut den neuen Wegen“. Das hatte 1989, damals in der DDR, einen besonderen Klang.
Es fand schnell seinen Weg in die Gemeinden und wurde dort zu einem Hit.
So begleitet das Lied den Umbruch der Jahre 1989/ 90,
den Fall der Mauer und Weg zur Wiedervereinigung. Freude, Jubel und Glück brechen sich Bahn. Lebenswege nehmen einen neuen Lauf. Biographien erhalten eine neue Richtung.
Musik 2 instrumental
Autorin: Die Tasten auf dem Klavier springen hin und her – hohe und tiefe Töne wechseln sich ab.
Nicht für alle bedeutete Aufbruch und Neuanfang Erfolg. Die neue Freiheit brachte auch Unsicherheit mit sich. Sie fühlten sich überfordert, waren skeptisch.
Manche sind es bis heute. Darum braucht Aufbruch oft Zuspruch und Begleitung.
Musik 1: Choral (3. Strophe)
Sprecherin (overvoice)
Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.
Autorin: „Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit“, singt mir das Lied in der dritten
und letzten Strophe zu. Ein Appell gegen Resignation. Gegen Zukunftsängste und Unsicherheit. Als wollte jemand sagen: nehmt die Dinge nicht hin wie sie sind,
sondern versucht, sie zu verändern. Traut euch, die ausgetretenen Pfade zu verlassen
und auf immer wieder neuen Wegen nach einer Zukunft zu suchen, die zu Euch passt.
Gott hält sie schon bereit. Auch wenn das manchmal anstrengend und mühsam ist.
Aber ohne die Hoffnung, ohne den Glauben an Veränderung, hätte das Lied nie seine Berühmtheit erlangt. Und in diesem Glauben können auch wir zuversichtlich und optimistisch sein:
Musik 1: Choral (aus der 3. Strophe)
„Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“
Autorin: Er sei gut in Neuseeland angekommen. Alles sei aufregend und spannend, schreibt Chris auf Facebook. Das Vertrauen hat sich für ihn gelohnt, das Wagnis kann beginnen.
Denn „plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen, und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen“.
Musikangaben
Musik 1
WDR-Archiv: 5033351110
Büro-Archiv058
CD-Titel:
Track-Titel:Vertraut den neun Wegen
Track-Nr.02
Komponist:Lothar Graap
Texter:Klaus Peter Hertzsch
Chor:Wuppertaler Kurrende
Leitung:Heinz Rudolf Meier
Verlag:Ms
LC-Nr.:Z2323
Label:Eigenproduktion
Musik 2
Büro-Archiv168
CD-Titel:Predigt ohne Worte
Track-Titel:Vertraut den neun Wegen
Track-Nr.06
Komponist:Böhmische Brüder
Interpret:Andreas Gundlach, Klavier
Verlag:Hänssler
LC-Nr.:06047
Label:Hänssler Classic