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Kirche in WDR 3 | 14.01.2019 | 07:50 Uhr
Yamal
Guten Morgen.
Es war einer der letzten warmen Novembertage des vergangenen Jahres. Gemeinsam mit einer Gemeindemitarbeiterin und einem Flüchtling mache ich mich auf den Weg zu einem Rechtsanwalt. Ich nenne den Geflüchteten Yamal, um seine Identität zu schützen. Er kommt aus einem Land, in dem immer noch Krieg herrscht. Im Fall seiner Abschiebung muss er als Christ um sein Leben fürchten.
In seiner ersten Anhörung hat Yamal davon erzählt, dass er in Deutschland zum christlichen Glauben gefunden hat. Aber er fand keinen Glauben bei denen, die über seinen Antrag zu entscheiden hatten.
Darum sind wir jetzt auf dem Weg zum Anwalt. Da sein Büro noch nicht bezugsfertig ist, gehen wir ans nahegelegene Ufer der Ruhr und setzen uns ans Wasser.
Der Anwalt tastet sich ein wenig vor und fragt nach christlichen Feiertagen. Yamal hat sie alle drauf. Aber das ist nur das Warm-up. Yamal soll einfach erzählen. Erzählen, wie er mit dem christlichen Glauben in Kontakt gekommen ist und was das für ihn bedeutet.
Und Yamal erzählt. Von seiner Kindheit im Iran, als Sohn afghanischer Eltern. Dass er selbstverständlich als Muslim erzogen wurde und dass er es ernst nahm mit seinem Glauben. Mit den Pflichten als Muslim und mit dem Anspruch nicht zu sündigen, um nicht die Gunst Allahs zu verlieren.
Aber Yamal berichtet auch von seinem Scheitern. Natürlich hatte er immer wieder gegen die Gebote verstoßen. Schon allein, um überleben zu können. „Niemand kann doch nicht sündigen“, bricht es aus ihm heraus. „Das ist doch die Hölle!“ So wollte er irgendwann gar nichts mehr wissen von Gott. Wenn es für ihn keinen Ausweg gab und die Religion ihn immer nur trauriger machte.
Yamal ist schon in Deutschland, als er zum ersten Mal mit Christen ins Gespräch kommt. Zunächst ist er nur neugierig. Dann fängt er an, sich für Jesus zu interessieren. Er begegnet anderen Christen und fühlt sich von ihnen und ihrem Glauben angezogen. Yamal bleibt dran. Und irgendwann ist es für ihn klar, dass er an Jesus Christus glauben möchte, der auch für ihn gestorben und auferstanden ist.
Der Rechtsanwalt hat ihm lange zugehört, ohne ihn zu unterbrechen. Aber an dieser Stelle fragt er nach: „Was bedeutet das denn für Sie persönlich?“
Yamal stockt und schaut ihn mit großen Augen an. „Es ist die Freundlichkeit Gottes“, sagt er mit einer Überzeugung, die alle Zweifel der Welt aus dem Weg räumt. „Es ist die Freundlichkeit Gottes, dass er mich so annimmt wie ich bin.“
Einen Moment sitzen wir einfach still da, am Ufer der Ruhr. Ein kühler Wind ist aufgekommen. Aber in unseren Herzen ist es warm geworden. Und, als wäre das allein noch nicht genug, fügt Yamal an: „Jesus hat doch gesagt: Wer mich bekennt vor den Menschen, zu dem will ich mich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel.“ (Matthäus 10,33 aus: Lutherbibel 2017)
Und man sieht es Yamal an, dass es ihm ernst ist, mit dem Bekennen. Das habe ich lange nicht mehr gehört und es wird mir sicher noch lange nachgehen.
Ihr Pastor Heinz-Bernd Meurer aus Bottrop.