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Choralandacht | 22.06.2019 | 07:50 Uhr
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„Ich steh in meines Herren Hand“ (eg 374)
Autor: Es ist so ein Gefühl. Manchmal entsteht es ganz spontan,
von der ersten Sekunde an: Vertrauen.
Ich denke an
unsere Nachbarn. Die schafften sich eines Tages zwei Katzen an. Die Kinder
freuten sich, und wir konnten ein paar Tipps geben für den Anfang, denn auch
wir haben eine Katze. Dann kam der nächste Urlaub. Sollen wir wie immer unsere
Freundin fragen, ob sie nach unserer Katze sieht? Oder sprechen wir mal die
Nachbarn an? Zum Vertrauen kann man sich entscheiden. Wir haben die Nachbarn
gefragt. Sie das erste Mal hereingebeten in Küche und Wohnzimmer. Sie sind sehr
sympathisch. Absolut. Aber sie sind in vielem auch ganz anders als wir. Haben
andere Berufe, andere Hobbies, und die Kinder sind viel jünger. Sprich: Wir
werden wohl nicht enge Freunde werden. Muss ja auch nicht sein. Aber das
Vertrauen ist da. Hundertprozentig. Das ist unsere Erfahrung: Zum Vertrauen
kann man sich entscheiden – und man wird belohnt.
Musik 1: Choral,
Strophe 1
Track 9 „Ich steh in meines Herren Hand“, CD Auf Gott vertrauen| Lieder und Worte die bleiben, Komponist: 15. Jh. (geistlich Wittenberg
1533/Martin Luther 1529, Texter: Philipp Spitta (1833), Chor: Studiochor des
ERF, Leitung: Gerhard Schnitter, Studioorchester des ERF, Leitung: Christoph
Adt, Verlag: SCM Hänssler, LC-Nr.: 07224, Label: Hänssler Music, Best.Nr.:
99.928.
Ich steh in meines Herren Hand / und will
drin stehen bleiben;
nicht Erdennot, nicht Erdentand / soll
mich daraus vertreiben.
Und wenn zerfällt die ganze Welt, / wer
sich an ihn und wen er hält,
wird wohlbehalten bleiben.
Autor: „Ich
steh in meines Herren Hand.“ Wer das sagt, hat Gottvertrauen. Ob das auch spontan entsteht? Aus
einem religiösen Gefühl heraus? Manche können ja von so einem Anfang erzählen.
Da hat sie etwas berührt, und der Glaube war da. Gottvertrauen: geborgen sein,
Halt finden, wissen, wo man hingehört. Oder ob man sich dazu entscheiden kann,
ganz bewusst. Mit einem gewissen Restrisiko auf Gott vertrauen – und dann mal
gucken, ob es sich bewährt. Philipp Spitta, der diesen Choral gedichtet hat,
ist sich seiner Sache sicher:
Autor: „Und
wenn zerfällt die ganze Welt, wer sich an ihn und wen er hält, wird
wohlbehalten bleiben.“ Ich
staune: Was für ein Vertrauen! Gibt es da nichts, was das Vertrauen erschüttern
kann? Wenigstens mal enttäuschen? „Was für ein Vertrauen“ ist das Motto des
Deutschen Evangelischen Kirchentages, der zur Zeit in Dortmund stattfindet.
Über Hunderttausend Besucherinnen und Besucher sind da, die großen
Gottesdienste am Anfang und am Ende werden im Fernsehen übertragen, und
vielleicht sickert das Motto in diesen Tagen durch Nachrichten, Interviews und
Reportagen nicht nur ins Bewusstsein derer, die in Dortmund dabei sind: „Was
für ein Vertrauen“. Man kann das fragen: Was für ein Vertrauen braucht die
Gesellschaft, wenn sie zusammenhalten will? Was für ein Vertrauen brauche ich
persönlich, wenn ich heil durchs Leben kommen will? Wo habe ich Vertrauen
gefunden, wo suche ich Vertrauen, wann staune ich mal über andere: Was für ein
Vertrauen!
Musik 1: Choral,
Strophe 2:
Er ist ein Fels, ein sichrer Hort, / und
Wunder sollen schauen,
die sich auf sein wahrhaftig Wort /
verlassen und ihm trauen.
Er hat’s gesagt, und darauf wagt / mein
Herz es froh und unverzagt
und lässt sich gar nicht grauen.
Autor: Im Winter 1827 dichtet Philipp Spitta dieses Lied. Er ist
damals Hauslehrer in Lüne bei Lüneburg. Heinrich Heine gehört zu seinem
Freundeskreis, man trägt sich gegenseitig Gedichte vor. Philipp Spitta wird
später Pfarrer und Superintendent und erhält sich seine poetische Ader. Er
schreibt zahlreiche Kirchenlieder im Geist der lutherischen Erweckungsbewegung.
Oft geht es um Angst und Vertrauen. Immer geht es um eine Beziehung. Um die
Beziehung zu Gott.
Sprecherin: HERR, mein Fels, meine Burg, mein Erretter; mein Gott, mein Hort, auf
den ich traue. (Ps 18,3)
Autor: So wird es schon besungen in den Liedern der Bibel, den
Psalmen. Philipp Spitta kennt sie gut und spielt darauf an. Gott soll
verlässlich sein. Unumstößlich wie ein Fels.
Sprecherin: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein
Schutz, dass ich gewiss nicht
wanken werde. (Ps 62,2f)
Autor: Doch wie kommt der fromme Liederdichter eigentlich darauf?
Dass Gott hilft und beschützt, dass er unumstößlich da ist wie ein Fels, komme,
was da wolle? Ganz einfach: Er hat’s gesagt. Er hat’s versprochen.
Sprecherin: Denn
des
HERRN
Wort ist wahrhaftig, und
was er zusagt, das hält er gewiss.
Autor: Psalm 33,4. „Er hat’s gesagt, und darauf wagt / mein Herz es froh und unverzagt.“
Nämlich ihm zu vertrauen. Was unter Freunden oder Nachbarn schon gilt, gilt bei
Gott erst recht: Vertrauen wird gewagt. Wer vertraut, geht ein Risiko ein.
Philipp Spitta hat sein Vertrauen auf Gott gesetzt. In der Hoffnung, dass es
sich bewährt. Dass Gott der Fels bleibt, auch wenn das Leben den ein oder
anderen Schicksalsschlag bereithält.
Musik 1: Choral,
Strophe 4:
Ja wenn’s am schlimmsten mit mir steht, /
freu ich mich seiner Pflege;
ich weiß: die Wege, die er geht, / sind
lauter Wunderwege.
Was böse scheint, ist gut gemeint; / er
ist doch nimmermehr mein Feind
und gibt nur Liebesschläge.
Autor: Bei mir war’s ein Zwischenfall nach einem Routineeingriff
im Krankenhaus. Als mein Gottvertrauen ziemlich erschüttert wurde. Eine innere
Blutung, Schmerzen, Notfall-Operation am Sonntagnachmittag. Unvergessen die
blaugrünen Augen der OP-Schwester, wie sie sich von oben über meine Augen
beugt: „Keine Angst, wir bringen Sie da durch.“ Als ich hinterher da lag, auf
der Intensivstation, mit all den Schläuchen und Geräten, hilflos, ausgeliefert,
da hab ich ein paar Tage lang ziemlich mit Gott gehadert: Was soll das? Warum
das alles? Wie lange soll ich hier noch so liegen? Was hast du dir dabei gedacht,
Gott?
„Was böse
scheint, ist gut gemeint,“ schreibt Philipp Spitta, „es gibt nur
Liebesschläge.“ Liebesschläge... das wäre nicht meine Wortwahl. Aber ich konnte
den Schicksalsschlag von damals irgendwann umdeuten. Im Rückblick habe ich
gelernt, wie verletzlich das Leben ist. Ich kann heute viel mehr genießen. Ich
kann besser unterscheiden, was für mich wichtig ist und was nicht. Ich versuche
seither, den Tagen ganz viel Leben zu geben. Denn ich weiß: dem Leben mehr Tage
geben, das kann ich nicht.
Damals habe ich
erlebt: Gott beschützt mich nicht vor Krankheit oder Unfall oder Leid. Das hat
er auch nicht versprochen. Aber er trägt mich da hindurch. Er ist da. Nichts
von alledem kann mich von Gott trennen. Deshalb kann ich heute gut einstimmen
in die letzte Strophe des Chorals von Philipp Spitta:
Musik 1: Choral,
Strophe 5:
Und meines Glaubens Unterpfand / ist, was
er selbst verheißen,
dass nichts mich seiner starken Hand /
soll je und je entreißen.
Was er verspricht, das bricht er nicht; /
er bleibet meine Zuversicht,
ich will ihn ewig preisen.