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Sehnsucht

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Kirche in WDR 3 | 06.11.2019 | 07:50 Uhr

Sehnsucht

Guten Morgen,

wenn ich lange nicht am Meer war, dann sehne ich mich danach, wieder mal aufs Wasser zu sehen bis dahin, wo es nicht mehr weitergeht. Bis zum Horizont. Meinen Blick in die Ferne schweifen zu lassen und einfach meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. An nichts Konkretes zu denken und dem Kleinklein des Alltags zu entfliehen. Wonach sehnen Sie sich? Haben Sie einen Sehnsuchtsort, in den Bergen oder am Meer und können es nicht erwarten, wieder dort zu sein? Zu fühlen: Ich komme nach Hause. Erfahre die Erhabenheit dieses Lieblingsortes und fühle mich aufgehoben; komme weg vom alltäglichen Stress; vergesse Krankheiten, Streit. Krisen in der Familie - wenn auch nur für ein paar Tage.

Oder vielleicht sehnen Sie sich nach etwas ganz anderem. Nach einer Umarmung, nach einem geliebten Menschen. Danach, aufzuwachen und alles ist wieder wie früher. Zu erleben: Dass ich so schwer krank bin ist nur ein böser Traum. Oder: Morgenfrüh liegt mein Mann wie all die Jahre zuvor wieder neben mir und ist gar nicht tot.

Vielleicht aber würden Sie sonst etwas geben für die Erfahrung: Alles ist auf einmal ganz anders. Das Blatt wendet sich. Da ist plötzlich ein neuer Mensch in meinem Leben, die Uhr ist auf null gestellt. Etwas geht von Neuem los.

Sehnsucht, die trägt jeder im Herzen, nach irgendetwas. Und mancher Stoßseufzer geht zum Himmel, wenn so gar nicht abzusehen ist, wann diese Sehnsucht gestillt wird. Und ob überhaupt. Und so sehne ich mich oft danach, dass Gott meine Sehnsucht wahrnimmt. Damit ich nicht allein bleibe in meinem Sehnen. Deshalb singe ich im Gottesdienst so gerne dieses Lied von dem Pfarrer und Liederdichter Eugen Eckert: „Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst. … Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir. Wir hoffen auf dich, sei da, sei uns nahe, Gott.“ (1)

Manchmal leihe ich mir auch Worte aus der Bibel: “All mein Sehnen, Gott, liegt offen vor dir, mein Seufzen war dir nicht verborgen.“ (Psalm 38,10) Oft ist mir ja schon leichter ums Herz, wenn es mal raus ist, was ich mir so sehr wünsche. Ab und an ertappe ich mich, wie ich einfach mal seufze. Wenn es jemand hört, kommt dann schon mal die Frage: Ist irgendwas? Und schon bin ich nicht mehr alleine mit all dem, was ich in mir bewege. Und wenn kein Mensch das hört: Gott hört es. Das Sehnen bleibt dann, ja, aber ich kann wieder durchhalten. Und irgendwie gehört Sehnsucht ja auch zum Leben dazu. Meinen Kindern habe ich immer gesagt: „Es muss auch noch offene Wünsche geben. Man muss nicht alles sofort bekommen. Du bekommst es, aber eben noch nicht jetzt. Das ist noch nicht dran.“ Ob auch Gott mein Sehnen so wahrnimmt und mein Seufzen hört? Ich denke ja.

Ihre Pfarrerin Barbara Schwahn aus Meerbusch.

(1) Text: Eugen Eckert 1986, freiTöne, Nr. 25

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze




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