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Kirche in WDR 3 | 07.11.2019 | 07:50 Uhr
Womit sollen wir uns kleiden?
Guten Morgen.
„Was
soll ich bloß anziehen?“ Ich stehe vor dem Kleiderschrank und schaue
unentschlossen die Reihe von Kleiderbügeln rauf und runter, ohne Erfolg.
Vielleicht ging es Ihnen heute Morgen auch so.
„Was soll ich bloß anziehen?“ - Das fragt man sich ja nicht nur, wenn der
Kleiderschrank überquillt. Manchmal weiß man nicht, wie das Wetter wird. Oder
muss im Geist erst mal durchgehen, was einen am Tag so erwartet. Warten
offizielle Termine oder nur der Schreibtisch oder die Werkstatt. Man ist ja
nicht gerne under- oder overdressed.
Vermutlich haben Sie heute schon etwas Passendes gefunden und sind damit unterwegs. Es gibt aber in unserem eigentlich reichen Land auch Menschen, die auf die Frage „Was soll ich bloß anziehen?“ keine Antwort finden. Denen jetzt im Herbst der Parka für den Winter fehlt oder auch das Dress zum Wechseln im Sommer. Die an der Pfarrhaustür stehen und betteln um ein paar Schuhe oder eine warme Jacke.
Eine ganze Modebranche kümmert sich eigens um die Frage, womit wir uns kleiden. Kleider machen schließlich Leute und die Art, wie ich mich kleide, ist auch ein Statement: Ich bin der lässige Typ oder die Feine, sportlich oder elegant. Und ich zeige damit, welchem Milieu ich mich zugehörig fühle. Ab und zu bekomme ich eine Einladung zu einer Modenschau. Cool sehen sie aus, die jungen Models auf dem Laufsteg mit den T-Shirts der neuen Kollektion. Aber was wäre, wenn plötzlich eine auf ihrem Shirt stehen hat: „Genäht von Anjana in Sri Lanka für 18 Cent.“ Ich vermute: Einigen Besuchern der Modenschau würde durch den Kopf gehen: „Spaßverderberin, weiß ich doch, aber irgendwas muss ich doch anziehen, von mir hängt es doch nicht ab, ob diese Anjana überleben kann. Ob teuer oder billig, alles wird doch heute in den Billiglohnländern genäht, schließlich brauchen die Menschen dort doch auch Arbeit, ist doch für die Menschen in Sri Lanka auch mehr Geld als für uns.“
Das Model mit dem T-Shirt ist auf dem Plakat einer Menschenrechtsaktion zu sehen. Das Aktionsmotto ist das Bibelwort: Womit werden wir uns kleiden? (Matthäus 6,31) (1) Jesus sagt einmal: „Sorgt euch nicht und sagt nicht: Womit werden wir uns kleiden? … Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Auch zur Zeit Jesu sorgten sich viele darum, was sie anziehen sollen, die meisten eher so wie die vor der Pfarrhaustür. Jesus weiß das. Aber ihm geht es noch um mehr: In der Welt soll es gerecht zugehen. Alle Menschen sollen zu ihrem Recht kommen und die ganze Schöpfung noch dazu. Dass das in der Bekleidungsindustrie noch lange nicht der Fall ist, ist hierzulande bekannt. Aber was tun? Vielleicht kleine Schritte gehen. Kleidung auftragen, unter Freundinnen Kleidung tauschen, Second-hand-Läden aufsuchen, mir Gedanken darüber machen, wo der Rest bleibt, wenn Anjana 18 Cent bekommt und ich 10 Euro zahle. Mich informieren. Bei der Kampagne “Saubere Kleidung“ (2) zum Beispiel. Und dort mit protestieren, damit mehr Geld bei denen ankommt, die am Beginn der Wertschöpfungskette stehen. Denn das Leben von Näherin Anjana hat mit meinem hier zu tun. Als Christin ist für mich wichtig Jeder Mensch ist gleich viel Wert wie die anderen. Alle sind Geschöpfe Gottes und haben Gerechtigkeit verdient.
Ihre Pfarrerin Barbara Schwahn aus Meerbusch.
( 1 ) https://www.vemission.org/fileadmin/redakteure/Dokumente/JPIC/VEM_Broschuere_Menschenrechte_7.11..pdf
( 2 ) https://saubere-kleidung.de/
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze