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Choralandacht | 18.01.2020 | 07:50 Uhr
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Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude (eg 66)
Track
5: „Jesus ist kommen“, CD: Die
schönsten Choräle, Befiel Du Deine Wege, Text: Johann Ludwig Konrad Allendorf
(1693-1773), Melodie: Köthen um 1733, Bearbeitung: Jochen Rieger, Interpreten:
Jubilate Chor, Best.-Nr.: 939083, LC-Nr.: 06160, Musikverlag Schulze und Gerth,
Asslar.
Overvoice-Sprecher: Jesus ist kommen, Grund ewiger
Freude/A und O, Anfang und Ende steht da./ Gottheit und Menschheit vereinen
sich beide,/ Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah!/ Himmel und Erde,
erzählet’s den Heiden:/ Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.Autorin: Der
vierjährige Max hat das Schaukeln entdeckt. Er setzt sich auf das
Schaukelbrett, nimmt ein bisschen Anschwung und dann geht‘s los: Oberkörper
weit nach hinten beugen und dabei die Beine stracks nach vorn, dann schnell
wieder aufrichten und die Beine unter das Brett ziehen. So geht das hin und her,
und Max fliegt höher und höher. Bald ist sein lautes Jauchzen weit über den
Spielplatz zu hören.
Der unbekannte Melodist des Liedes „Jesus ist kommen“ hatte wohl Ähnliches im Sinn:
Kraft von unten holen, immer
höher, immer weiter, schwing dich auf zu Gott. Das jauchzende Gefühl stellt
sich bei der Melodie von alleine ein, das Lied sorgt sofort für gute Laune.
Musik 2:
Trompete und Orgel (nur Melodiebeginn T.1-4, 01:23 – 01:29 = 0:06)
Track 3 „Jesus ist kommen, Grund ewiger
Freude“, CD: Klingendes
Gesangbuch,
Von Anfang bis Ende Nr. 8, Label: 2008 MS Classic- 2008 Medienservice B. &
A. Dietrich GbR, Nürnberg, LC-Nr.: 10551, Katalog-Nr.: MS-20082-C.
Autorin: Der
Text des Liedes von Johann Ludwig Allendorf
aus dem Jahr 1736 ist genauso überschwänglich wie die drei Jahre ältere
Melodie.
Allendorfs Lied hat ursprünglich 23 Strophen, nach den Buchstaben des Alphabets ohne I, X und Y. Von A bis Z wird Jesus mit insgesamt 42 biblischen Namen und Titeln beschrieben.
Die erste Strophe beginnt gleich mit dem A und O: Jesus umfasst alles von Anfang bis Ende.
Musik
3: (Choral 3. Strophe, Chor a cappella, overvoiced, 01:59 – 02:38 = 0:39)
Track
4 „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“,
CD: Was Gott
tut das ist wohlgetan, Text: Johann Ludwig Konrad Allendorf (1736), Melodie: Köthen
um 1733, Interpreten: Das Solistenensemble, Leitung: Gerhard Schnitter, Label: SCM
Hänssler, LC.-Nr.: 07224, Verlag: Hänssler, EAN: unbekannt.
Overvoice-Sprecher: Jesus ist kommen, der starke
Erlöser,/ bricht dem gewappneten Starken ins Haus,/ sprenget des Feindes
befestigte Schlösser, führt die Gefangenen siegend heraus./ Fühlst du den
Stärkeren, Satan, du Böser?/ Jesus ist kommen, der starke Erlöser.
Autorin:
Gewaltige Worte, militärische Bilder – und trotzdem kann ich das wunderbar
mitsingen, denn die Melodie mit ihrem schwungvollen Dreiertakt ist zum
bewaffneten Kampf gänzlich ungeeignet. Stattdessen zaubert mir der Abgang zum
Tiefton und dann der Sprung nach oben zur Septime bei „Satan, du Böser“ durch
sein feines ironisches Pathos ein Lächeln ins Gesicht.
Im Evangelischen Gesangbuch
ist das Lied der Epiphaniaszeit zugeordnet. Aber so eindeutig ist der Text
nicht. Die folgende Strophe spannt den thematischen Bogen vom Advent bis zum
ewigen Leben:
Musik 3: (Choral, 5.
Strophe, Chor a cappella, overvoiced, 03:13 – 03:53 = 0:0)
Overvoice-Sprecher: Jesus ist kommen, der König der
Ehren; Himmel und Erde, rühmt seine Gewalt!/ Dieser Beherrscher kann Herzen
bekehren;/ öffnet ihm Tore und Türen fein bald!/ Denkt doch, er will euch die
Krone gewähren./ Jesus ist kommen, der König der Ehren.
Sprecher: Der Dichter Johann Ludwig Allendorf war das
jüngste Kind einer lutherischen Pfarrersfamilie in Oberhessen. Wie Großvater,
Vater und großer Bruder studierte auch er Theologie in Gießen. Seine prägenden
Lehrer standen im Kontakt zur pietistischen Bewegung und über diese Beziehungen
kam der 20jährige Allendorf im Jahr 1713 nach Halle an der Saale, um sein
Studium bei dem berühmten August Hermann Francke fortzusetzen.
Musik 4: Gitarre (nur Anfang der Melodie, T. 1-4, evtl. weiter unterlegen, 04:41-05:09 = 0:28)
Track 16 „Medley: „Jesus ist kommen,
Grund ewiger Freude und Jesus Christus herrscht als König, CD: Choräle auf
sechs Saiten, Du meine Seele singe, Gitarrenmusik, Interpret und Bearbeitung:
Reinhard Börner, Bestell-Nr.: 07371, cap!-music, Altensteig, LC-Nr.: 06860.
Autorin: Im Studium in Halle standen Bekehrung und Bildung als wichtigste Ziele für angehende Theologen im Vordergrund. Praktische Nächstenliebe wurde durch die Mitarbeit in dem von Francke gegründeten Waisenhaus mit Schulen geleistet.
Eine große Rolle kam dem
gemeinsamen Singen zu. 1711 war der Singesaal der Franckeschen Stiftungen
eingeweiht worden:
Sprecher: Am 4. August versammelten sich alle Schulen
– gegen 1400 Kinder – zum ersten Male auf dem oberen Saale zur Einweihung
desselben. Tags darauf war die erste Singstunde gehalten…Der erste Zweck war
die Übung in den neuen Melodien…Man lehrte sie die Schüler und Waisenkinder.
Das Angenehme des Gesangs zog aber bald eine so große Menge Zuhörer herbey, daß
es, obwohl der Saal beynahe an zweytausend Menschen faßte, doch oft an Raum gebrach.
Autorin:
Johann Ludwig Allendorf hat diese Sing-Tradition kennengelernt und in seiner
Arbeit aufgenommen. Nach Studienabschluss wurde er auf Vermittlung von Francke
zunächst Hauslehrer in schlesischen Adelsfamilien, bevor er als lutherischer
Hofprediger nach Köthen ging. Dort gab er 1733 seine erste Liedersammlung
heraus:
Sprecher: Einige Geistreiche Lieder, allen
Gott=liebenden Seelen, die ihr einziges Vergnügen in seiner Vereinigung suchen, zur Erbauung mitgetheilet.
Musik 3:
(Choral, 7. Strophe, Chor a cappella,
overvoiced, 06:09 – 06:49 = 0:40)
Overvoice-Sprecher: Jesus ist kommen, die Quelle der
Gnaden:/ komme, wen dürstet, und trinke, wer will!/ Holet für euren so giftigen
Schaden/ Gnade aus dieser unendlichen Füll!/ Hier kann das Herze sich laben und
baden./ Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden.
Autorin: Die
Melodien der Hallenser Tradition waren allerdings schon zu ihrer
Entstehungszeit höchst umstritten, da sie als zu weltlich galten. Bald sprachen
böse Zungen von „Pietistenwalzern“.
Und noch 1970 wurde, bei
aller Wertschätzung der vielen biblischen Textbezüge, ein warnender Zeigefinger
zu diesem Lied erhoben.
Sprecher: Das Kennzeichen ist, dass Rhythmik und
Melodik sich mehr und mehr aus der Bindung an das Wort lösen und mit Hilfe der
immer stärker hervortretenden harmonischen Wirkung eine eigene Welt rein
musikalischen Ausdrucks schaffen, in dem die fromme Ekstase sich überschwänglich entladen kann.
Autorin:
Gefährliche Versuchungen im Kirchengesang, gar Zügellosigkeiten? Wird nur noch
geschmettert, ohne auf den Inhalt zu achten? Schon zweihundert Jahre zuvor gab
es ein ähnliches theologisches Gutachten der Universität Wittenberg zu den
Melodien des Halleschen Pietismus:
Sprecher: Denn es ist allerdings in der Music, darin
die Lieder gesetzet sind und gesungen werden, etwas, wodurch das menschliche
Herz … durch eine gewisse springende und tanzende Art von Melodeyen wohl gar in
eine empfindliche Veränderung und Anfang einer Raserey gebracht werden kann.
Autorin:
Ich gestehe, dass ich das in einem
Gottesdienst zur Epiphaniaszeit noch nie erlebt habe – gleichwohl aber eine
Leichtigkeit und freudige Zuversicht beim Singen der göttlichen Segenszusage:
Musik 3: (Choral 8.
Strophe, Chor a cappella, overvoiced, 08:12 – 08:53 = 0:41)
Overvoice-Sprecher: Jesus ist kommen, die Ursach zum
Leben./Hochgelobt sei der erbarmende Gott,/ der uns den Ursprung des Segens
gegeben,/ dieser verschlinget Fluch, Jammer und Tod./ Selig, die ihm sich
beständig ergeben!/ Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.
Musik 1:
(Choral, 9. Strophe, Chor und Instrumente, overvoiced, 08:53 – 09:38 = 0:45)
Overvoice-Sprecher: Jesus ist kommen, sagt’s aller
Welt Enden./ Eilet, ach eilet zum Gnadenpanier!/ Schwöret die Treue mit Herzen
und Händen./ Sprechet: wir leben und sterben mit dir./ Amen, o Jesu, du wollst
uns vollenden./ Jesus ist kommen, sagt’s aller Welt Enden.
Quellenangaben
1. Bericht aus den
Frankeschen Stiftungen, mitgeteilt von Walter Serauky, Musikgeschichte der
Stadt Halle, Bd II, 1, Halle/Berlin 1939, S. 469,in: Christian Möller (Hg.),
Kirchenlied und Gesangbuch, Quellen zu ihrer Geschichte,
Tübingen und Basel: Francke,
2000, S. 178
2. Eberhard Weismann, Artikel
zur Melodie „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“in: Christhard Mahrenholz,
Oskar Söhngen (Hg.), Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch,
Bd III, Liederkunde, Erster Teil
Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht, 1970, S. 258
3. Der Löblichen
Theologischen Facultaet zu Wittenberg Bedencken…, Frankfurt/Leipzig 1716;
vorhanden in der Forschungsbibliothek Gotha, hier zitiert nach Dianne Marie
McMullen, The Geistreiches Gesangbuch of J.A. Freylinghausen; A German pietist
hymnal I+II, Dissertation 1987, S. 601-631, in: Christian Möller (Hg.),
Kirchenlied und Gesangbuch, Quellen zu ihrer Geschichte,
Tübingen und Basel: Francke,
2000, S. 180
Redaktion: Pfarrer i.R. Dr. Gerd Höft