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Kirche in WDR 3 | 24.06.2020 | 07:50 Uhr
Lebensmittelkennzeichnung für die Seele
Ich bin einer von diesen Typen, die ständig auf das achten müssen, was sie essen. Mehlunverträglichkeit! Für mich ist das deshalb eine tolle Sache, dass mittlerweile auf jeder Lebensmittel-Verpackung drauf steht, was drin ist. Ein Blick – und ich weiß, ob ich den Schokoriegel essen kann.
Diese Lebensmittelkennzeichnung – das ist also eine tolle Sache. Auch für die Gesunden. Vielleicht sogar gerade für die. Weil die sich dann noch bewusster ernähren können. Die sehen zum Beispiel sofort, ob sie ein unbehandeltes Lebensmittel bekommen. Und in meinem Bekanntenkreis will das mittlerweile auch tatsächlich fast jeder wissen. Weil das ja wichtig ist – eine bewusste, eine gesunde Ernährung. Weil es mir besser geht, wenn ich darauf geachtet habe, was ich esse. Wenn ich nicht einfach alles in mich reinstopfe.
Bei den Lebensmitteln habe ich mir da deshalb eine gewisse Disziplin antrainiert. Nicht ganz freiwillig – das gebe ich zu. Aber ich spüre, wie gut mir dieses etwas „bewusstere“ Essen auch tut. Und manchmal, wenn mir das so klar wird, dann denke ich: Es wäre doch auch ganz schön, wenn ich diese Disziplin nicht nur bei dem aufbringe, was ich meinem Bauch gönne. Sondern auch dort, wo ich meine Seele füttere. Weil ich da auch immer noch zu oft an den falschen Stellen zuschlage. Oder das Maß verliere. Weil es auch da jede Menge Müll gibt, von dem ich weiß, dass er bestenfalls in Maßen und kleinen Dosen halbwegs verträglich ist. Ehrgeiz im Beruf zum Beispiel. So völlig antriebslos zu sein ist sicherlich nicht erstrebenswert. Aber allzu sehr den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu wollen – das belastet mindestens genauso. Oder im Privaten: Ich mache gerne noch dieses oder jenes nebenher. Aber zu viel von „nebenher“ stört den Familienfrieden. Also: Lieber etwas weniger davon.
Beim Fernsehen dann bin ich schon weitaus weniger feinfühlig. Da füttere ich meine Seele durchaus zwei Stunden lang mit Schrott. Oder ich daddle am Handy rum. Checke die Gerüchteküche in den Sozialen Medien. Für’s Herz aber ist das alles wie fünf Tage Mittagessen an der Frittenkiste.
Nun bin ich kein Freund von Traurigkeit. Ich nehm‘ das eher sportlich. Das heißt dann aber auch: Wenn ich mal wieder mitbekomme, wie da jemand im Supermarkt aufmerksam die Zutatenliste auf der Lebensmittelverpackung studiert, oder wenn ich dann auch selber mal wieder kontrolliere, ob da nicht doch irgendwo Mehl in diesem oder jenen Produkt versteckt ist – dann darf da ruhig dieser Gedanke hochkommen: „Ach ja – nicht nur im Supermarkt bei den Lebensmitteln aufmerksam sein. Sondern auch den Lebenszweck nicht aus dem Blick verlieren. Auch die Zutatenliste fürs Gemüt berücksichtigen. Nicht nur auf den Bauch achten. Auch aufs Herz. Weil die eine Pizza zu viel – die ist eigentlich weit weniger schädlich als dieses dauerhaft Fast-Food für die Seele.“
Die Lebensmittelkennzeichnung also als kleiner Fingerzeig des lieben Gottes. Irgendwie eine schöne Vorstellung, dass Er auf diese Weise mit mir spricht …
Ihr Claudius Rosenthal aus Wenden