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Choralandacht | 28.03.2020 | 07:50 Uhr

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Die ganze Welt hast du uns überlassen (eg 360)

Autor: 1965. Evangelischer Kirchentag in Köln. In der Gesellschaft gärt es. Die 68iger werfen ihre Schatten voraus. Neue Lieder zum Kirchentagsthema „In der Freiheit
bestehen“ werden gesucht. Ein Preisausschreiben war angesetzt worden. Christa Weiß, Pädagogin und Lektorin, gewinnt. Ihr Lied: „Die ganze Welt hast du uns überlassen“.

Musik 1: Strophe 1, Track 3 „Die ganze Welt hast du uns überlassen,
CD: Gott loben im neuen Sound, Interpret: Chor des christlichen Sängerbundes, Komponist: Hans-Rudolf Simoneit, Text: Matthias Kiemle, Verlag: unbekannt, LC-Nr.: 07994, Label: RM.

Die ganze Welt hast du uns überlassen, doch wir begreifen deine Großmut nicht. Du gibst uns frei, wir laufen eigne Wege in diesem unermesslich weiten Raum. Gott schenkt Freiheit, seine größte Gabe gibt er seinen Kindern.

Autor: In sechs Strophen formuliert Christa Weiß dicht und eindrücklich Gedanken zur Spannung zwischen der Gottesgabe der Freiheit und dem Erschrecken darüber, wie Menschen mit dieser Gabe umgehen - einer Gottesgabe, die wir seiner Liebe und unendlichen Geduld zu verdanken haben-und die uns frei macht auch zu Trotz und Widerstand.

Als Schüler habe ich in jener Zeit erlebt, wie im Frankfurter Westend völlig intakte Jugendstil-Villen abgerissen wurden. Sie sollten den Banktürmen weichen, die heute die Skyline meiner Heimatstadt prägen. Mit großen Demonstrationszügen gingen wir damals auf die Straße, getrieben von der Frage, ob sich das Kapital denn jede Freiheit nehmen darf und gewinnorientiert kaufen und verkaufen kann, was es will. Die alten Villen am Rand der durch Fliegerangriffe völlig zerstörten Frankfurter Innenstadt empfanden wir Schüler als zu bewahrende Zeugnisse für die Zeit und Menschen vor dem Krieg. Über vielen dieser Villen schwebte bereits die Abrissbirne. Darum kam es häufig zu Straßenschlachten mit der Polizei. Wir konnten zwar nicht den kompletten Stopp der Abrisse erreichen, aber immerhin stehen einige der betroffenen Häuser noch heute.

Musik: Strophe 2:
Du lässt in deiner Liebe uns gewähren. Dein Name ist unendliche Geduld. Und wir sind frei: zu hoffen und zu glauben, und wir sind frei zu Trotz und Widerstand. Gott schenkt Freiheit, seine größte Gabe gibt er seinen Kindern.

Autor: Freiheit ist keine einfache Sache. Denn Menschen zu allen Zeiten tun sich schwer, die Größe dieser Gottesgabe
zu begreifen. Es beginnt schon mit dem Exodus, dem Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Denn kaum war Israel frei, begann das Jammern und Klagen. Was sollen wir essen und was trinken? Schnell kreiste die Parole: Wären wir doch lieber in Ägypten geblieben. Dort gab es wenigstens das Lebensnotwendige. Und heute? Wenn ich, mehr als drei Jahrzehnte nach der Öffnung der Grenze, auf Fahrradtouren Menschen in Brandenburg oder Thüringen begegne, klingt bisweilen die Verklärung der Verhältnisse in der früheren DDR fast gleich.

Freiheit ist offensichtlich eine schwierige Sache. Gott hat sie uns geschenkt, heißt es in der Bibel und auch im Liedtext von Christa Weiß. Freiheit steht uns zu, unterstreicht Artikel 1 der Allgemeinen Menschenrechte:

Sprecherin: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“.

Musik: Strophe 3:
Wir wollen leben und uns selbst behaupten. Doch deine Freiheit setzen wir aufs Spiel. Nach unserm Willen soll die Welt sich ordnen. Wir bauen selbstgerecht den Turm der Zeit. Gott schenkt Freiheit, seine größte Gabe gibt er seinen Kindern.

Autor: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten. Ein wunderbarer und erhabener Gedanke. Auf der anderen Seite aber steht der vielfache Missbrauch, weltweit. Ich denke an Staaten, in denen die Meinungsfreiheit unterbunden, in denen die Glaubensfreiheit unterdrückt, in denen die Demonstrationsfreiheit zerschlagen wird. Ich denke auch daran, dass so viele Menschen gar keine Wahl haben, wo und wie sie leben möchten. Und dass wir unsere Freiheit wie oft selbst aufs Spiel setzen, weil wir Spielräume nicht nutzen, uns abhängig machen von Einflüssen anderer oder auch von Konsumgütern.





































































Aber Gott steht zu seinem Freiheitsgeschenk. Seine größte Gabe gibt er seinen Kindern. Er lässt uns im Umgang mit unserer Freiheit gewähren. Für nicht wenige Menschen ist dieses „den freien Lauf lassen“ eine große Anfechtung. Warum lässt Gott das zu? So lautet die oft gestellte Frage im Blick auf Kriege, auf Katastrophen, auf Krankheit, auf den Tod. Aber wären wir Menschen wirklich frei für eigene Wege, wenn Gott uns immer wieder in die Arme fallen würde, um Schlimmes zu verhindern, um Zerbrochenes zu reparieren? In meinem Bücherregal steht ein Gedichtband, den ich sehr liebe. Sein Titel lautet: „Freiheit auch für Sackgassen“. Genau diese Freiheit von uns Menschen unterstreicht auch Christa Weiß. Symbolisch für sie steht in der Bibel die Vertreibungsgeschichte von Adam und Eva aus dem Paradies. Nachdem beide verbotenerweise vom Baum der Erkenntnis den Apfel gegessen haben, werden sie in jeder Hinsicht selbständig. Ein Zurück in die Geborgenheit des Nestes gibt es nicht mehr. Und seither sind wir Menschen frei. Seither haben wir die Wahl. Wir können hoffen und glauben. Wir können auch mit Trotz und Widerstand gegen Gott aufbegehren. Beides ist möglich - und beides hat Konsequenzen.

Im Lied heißt es, Gott schenkt Freiheit mit Liebe und unendlicher Geduld. Das ist die größte Gabe, die Gott seinen Kindern ermöglichen kann. Als Vater eines Sohnes in der Pubertät kann ich den mit dem Geschenk der Freiheit verbundenen Spagat Gottes nur erahnen: Eigene Kind mit Liebe und Geduld losgehen zu lassen, sie einfach machen zu lassen, dabei längst nicht alles akzeptieren zu können, Trotz und Widerstand zu erleben, Geduldsproben aushalten zu müssen – und immer wieder da zu sein, um die Kinder mit offenen Armen zu erwarten – unfassbar, dieser so lange Atem der Liebe Gottes.







































Musik 3: instrumental












Autor-overvoiced:
Zwei Schöpfungsberichte stehen hintereinander auf den ersten Seiten der Bibel. Der erste spricht jedem Menschen größte Würde zu, geschaffen als Ebenbild Gottes. Der zweite beauftragt uns Menschen, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Leben in der Verantwortung vor Gott setzt also ein Miteinander als Ebenbilder Gottes auf gleicher Augenhöhe voraus, mit dem Auftrag, behutsam mit der uns anvertrauten Erde umzugehen.

Heute stellen uns die Aktivist*innen der Fridays for Future-Demonstrationen vor Augen, an welche Grenzen wir unsere eine Erde mit all den Selbstüberschätzungen geführt haben und wie wir uns durch den anhaltenden Raubbau selbst den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen.

Aber Christa Weiß führt uns am Ende ihres Textes nicht in den Abgrund. Sie stellt sich auf die Seite derer, die hoffen und glauben. Die auch darauf vertrauen, dass wir die Chance der Freiheit packen, um aus Sackgassen umzukehren. Und auch wenn ihr Text nun schon älter als fünfzig Jahre ist, will auch ich beschwingt weiterhin hoffnungsvoll singen:


































Autor-overvoiced zur Klavierimprovisation: Gib uns die Wege frei, die zu dir führen, denn uns verlangt nach deinem guten Wort. Du machst uns frei, zu lieben und zu hoffen, das gibt uns Zuversicht für jeden Tag.

Musik 4: Strophe 6: „Gib uns die Wege frei, die zu dir führen, denn uns verlangt nach deinem guten Wort. Du machst uns frei, zu lieben und zu hoffen, das gibt uns Zuversicht für jeden Tag“. Gott schenkt Freiheit, seine größte Gabe gibt er seinen Kindern.“




Redaktion: Pfarrer i.R. Dr. Gerd Höft


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