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Kirche in WDR 3 | 17.04.2020 | 07:50 Uhr
Begleitet
Es war eine traurige Veranstaltung. Ich hatte Josef über viele Jahre hinweg besucht. Und dann kam der Tag, der kommen musste. Mit 94 Jahren. Ein gesegnetes Alter. Und Josef hatte ein gesegnetes Leben. Mit Höhen und Tiefen. Mit vielen Kindern und noch mehr Enkelkindern und Urenkeln. Mit einem Ort, seinen Menschen und Vereinen, die alle um das Viele wusste, was er geleistet und getan hatte. Nur: Josef starb während der Corona-Krise, als an eine Beerdigung in der üblichen Weise nicht mehr zu denken war. Zunächst war dem Männergesangverein das Proben verboten worden – und in der Folge musste er auch seine Zusage zur Beerdigungsfeier zurückziehen. Wenig später folgten dann die Schützen. Und zu guter Letzt wurden auch die Gottesdienste untersagt. Am Ende versammelte sich nur noch der engste Familienkreis am Grab.
Kein Thema für einen guten, einen lebensfrohen Einstieg in den Tag, ich weiß. Aber eine Realität, die manch einer in den vergangenen Wochen zu spüren bekommen haben. Denn wie viele sterben in diesen Tagen und Wochen alleine? Wie viele werden zu Grabe getragen, ohne dass Verwandte und Bekannte Abschied nehmen können? Ein Freund erzählte mir, dass er vor Kurzem alleine am Sarg gestanden habe. Weil es keine engen Verwandten gab. Und ein anderer berichtete mir, dass eine Beerdigungsfeier aufgelöst wurde. Weil da zu viele Menschen am Grab versammelt waren. So etwas erleben zu müssen, schmerzt.
Klar weiß ich, warum das so ist. Warum diese Regeln zurzeit so sein müssen. Ich hinterfrage die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen deshalb nicht. Im Gegenteil. Trotzdem bedrückt mich das.
In den vergangenen Tagen musste ich dann daran denken, dass es in meiner Ausbildung zum Diakon einen Satz gab, den ich immer und immer wieder zu hören bekommen habe. Nämlich: Dass wir an einen Gott glauben, der Mensch geworden ist und der als Mensch alle Höhen und Tiefen unseres Lebens durchschritten hat. Alle. Mir ist bei dieser Beerdigung vor ein paar Wochen noch einmal klar geworden, wie wahr das ist – dass es da wirklich nichts gibt, was Jesus nicht durchlebt hat. Nicht einmal eine Beerdigung in kleinstem Kreis. Denn als Jesus am Kreuz starb – da war er verlassen. Da fühlte er sich auch verlassen. Selbst von Gott. Und später dann war es nur eine Handvoll Menschen, die ihn ins Grab legte. Ihn beerdigte. Selbst der Sohn Gottes hat also erlebt und durchlebt, was in diesen Tagen so viele durchmachen müssen: Die sich von einem lieben Menschen verabschieden müssen und die nicht getragen werden von einer Gemeinde, die diesen letzten Weg mitgeht.
Dieses Wissen, dass auch Jesus mehr oder weniger alleine war - das macht die Situation nicht besser. Aber ich fühle mich doch ein wenig von ihm getröstet und begleitet. Ich spüre, dass er mich irgendwie verstehen kann. Dass er mitfühlt. Selbst diese Einsamkeit an den Gräbern. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben, dass sie gut und gesund durch den Tag und das Jahr kommen. Und dass Sie das in der Gewissheit tun können, dass Sie immer begleitet sind. Alle Tage. Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.