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Kirche in WDR 3 | 01.10.2020 | 07:50 Uhr

Jerusalem - Mitleid lernen


Guten Morgen!

Zu einem Besuch in Jerusalem gehört für fast jeden Pilger, jede Pilgerin ein Gang über die Via dolorosa, den traditionellen Leidens- bzw. Kreuzweg Jesu mit seinen 14 Stationen. An der ersten Station, wo der Geißelung Jesu gedacht wird, steht eine Kirche, die einst Herzog Max in Bayern, der Vater von Kaiserin Sissi, finanziert hat. Nicht wenige Pilger*innen sind verstört, wenn ich als christlicher Pilgerführer, der seit vielen Jahren in Jerusalem lebt, dann erzähle, dass dieser Leidensweg historisch gesehen wohl nicht der richtige Weg ist und dass Jesus diese Via dolorosa so nie gegangen ist. Denn die heutige Route wurde erst in der Kreuzfahrerzeit, also mehr als 1000 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung, festgelegt. Damals nahm man an, dass der römische Statthalter Pontius Pilatus, der Jesus zum Tode verurteilte, in der Burg Antonia nördlich des Tempelplatzes residiert hat. Heute wird eher vermutet, dass Pilatus nicht in dieser Kaserne, zusammen mit den Soldaten, die den Tempel überwachten, gewohnt hat, sondern im alten Palast von König Herodes. Der historische Kreuzweg führte demnach also von der genau entgegen gesetzten Seite nach Golgota.

Trotzdem nehme ich die Pilger*innen mit auf den traditionellen Weg – und versuche unterwegs zu erklären, warum. Manchmal entdecken sie dann sogar neu, worum es bei diesem Brauch eigentlich geht – „den Kreuzweg gehen“.

Denn gerade mal hundert Meter entfernt von der Kapelle der Geißelung steht die nächste Kirche. „Ecce homo“ wird sie genannt. Über die Straße spannt sich der Rest eines antiken Bogens. Wegen der Lage hielt man ihn für das monumentale Eingangstor der Burg Antonia und für den Ort, wohin Pilatus Jesus führte, um ihn der Menschenmenge zu präsentieren mit den Worten: „Seht den Menschen“ – lateinisch: Ecce homo. Mit Hilfe eines Purpurmantels und einer Dornenkrone wurde Jesus der Lächerlichkeit preisgegeben. Das soll euer König sein? Ein altes Steinpflaster in der Nähe schien dies zu bestätigen. Doch genauere Untersuchungen haben gezeigt: Bogen und Pflaster stammen aus dem 2. Jahrhundert nach Christus.

Ein Teil von ihm wurde Ende des 19. Jahrhunderts in die hier stehende Kirche integriert. Unter ihm steht heute der Altar. Und hier wird mir deutlich, dass es nicht darum geht, ob nun dies genau der Weg ist, den Jesus gegangen ist. Vielmehr geht es um eine tiefere Wahrheit: An dem Ort, der für einen Kaiser errichtet wurde, erinnern jetzt jeden Tag Menschen an den geschundenen, gefolterten Jesus von Nazaret.

Was für ein verändertes Gottesbild! Nicht mehr die Macht wird vergöttert wie in Rom, wo jeder Kaiser ein „Gottesbild“ war, sondern der menschlichen Ohnmacht wird gedacht. Das christliche Gottesbild ist dieser Jesus von Nazaret: Seht den Menschen! Er ist es, der göttliche Würde hat – auch wenn er in dieser Welt erniedrigt, verspottet und gekreuzigt wird. Er ist ein König, wenn auch nicht von dieser Welt. Es geht um die Umwertung der Werte, weil das Erniedrigte erhöht wird.

Die Welt wäre ärmer ohne diese Botschaft der Umwertung, denn wie viele
Menschen haben sich aufgrund dieser Botschaft den Leidenden, Gefolterten, Sterbenden zugewandt – von den Anfängen des Christentums an bis heute.

Wer das einmal gespürt hat, den interessiert die Frage nicht mehr wirklich, ob es nun hier war oder dort, wo Jesus entlang gegangen ist. Denn beim Nachgehen des Kreuzweges geht es nicht um selbstquälerische Leidverliebtheit, sondern darum, ein mit-leidiger Mensch zu werden, der das Leid anderer mit-empfindet und versucht zu lindern.

Am Ende des Kreuzweges steht die Grabeskirche mit Golgota und dem Heiligen Grab. Hier bezweifeln Historiker heute kaum noch, dass dies tatsächlich der Ort ist, wo Jesus von Nazaret hingerichtet wurde. Aber eigentlich spielt es auch hier am Ende eines solchen Weges keine Rolle, wo es passiert ist, sondern wichtig ist nur, ob dieser Jesus von Nazaret in uns lebendig ist und uns zu Menschen macht, die zum Mit-Leid fähig sind.

Aus Jerusalem grüßt Sie Georg Röwekamp.

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