Heil und Heilung

Verzweifelt und völlig resigniert sitzt mir Herr Meier im Sprechzimmer gegenüber. Ein Häufchen Elend! Nach der Entgiftung im Krankenhaus kam er zu uns in die Fachklinik des Blauen Kreuzes. Ich bin damals dort Klinikleiter. Schon im therapeutischen Erstgespräch bricht es aus ihm heraus: „Meine Ehe zerbricht. Meine Kinder hassen mich, weil ich unter Alkohol gewalttätig werde. Mein Arbeitgeber will mir kündigen. Dabei ist die Arbeitsstelle so wichtig für mich. Und fast alle Freunde haben sich von mir zurückgezogen.“

Nein - das alles will er auf keinen Fall aufs Spiel setzen! Er braucht jetzt dringend Hilfe! Allein schafft er es nicht mehr, vom Alkohol loszukommen! In seiner Not hatte er den Gemeindepfarrer um Rat gefragt. Der verwies ihn auf die Blaukreuzgruppe im Nachbarort. Und die vermittelte den Kontakt zur Blaukreuzklinik. „Sie hier vom Blauen Kreuz sind doch Christen! Und da wissen Sie vielleicht, wie mir geholfen werden kann. Meine Familie bezeichnet mich längst als einen hoffnungslosen Fall. Weil ich trotz vieler Versuche seit Jahren nicht von der Flasche wegkomme.“

Meine erste Reaktion auf sein Elend, das er mir so offen auf den Tisch legt: „Ich finde es sehr mutig von Ihnen, Herr Meier, dass Sie den Schritt in unser Haus gewagt haben! Es wird bestimmt kein leichter Weg sein, zurück in ein befreites Leben ohne Alkohol. Aber ich bin sicher, dass wir es gemeinsam mit Gottes Hilfe schaffen werden!“

Was mir die Hoffnung dazu gibt, ist die Erfahrung von jahrzehntelanger engagierter Blaukreuzarbeit in Deutschland. Denn heute vor 135 Jahren, am 05. Oktober 1885 hat Pfarrer Arnold Bovet in Hagen den 1. Blaukreuzverein in Deutschland gegründet. Die Basis aller ehren- und hauptamtlichen Arbeit des Blauen Kreuzes bildet der christliche Glaube. Aus diesem Fundament schöpfen die Mitarbeitenden ihre Kraft, suchtkranken Menschen zu helfen. Sehr treffend wurde dies vor fast 60 Jahren im Grundstein der Blaukreuzklinik festgehalten. Er ist direkt im Eingangsbereich der Klinik an der Wand zu sehen. Eingraviert in Stein der Gebetsruf aus dem biblischen Buch Jesaja: „Heile du mich, Herr, dann werde ich heil. Hilf mir, dann ist mir geholfen. Denn meine Hoffnung bist du!“ (Jesaja 17,14; Basisbibel)

Diese Heilung durfte auch Herr Meier nach mehrmonatiger Psychotherapie und seelsorgerlicher Begleitung erleben.

Dazu die christliche Autorin Hilde Hofmann:

„`Ich will vergessen`, sagte mir einer. Man konnte ihm ansehen, dass er viel zu vergessen hatte. Der große, starke Mann war ganz hilflos, ausgeliefert der Vergangenheit, (…) ausgeliefert der Verzweiflung über sich selbst. Wer sich nicht Gott ausliefert, der ist ausgeliefert sich selbst: der eine seiner Geldgier, der andre seiner Ehrsucht, (…), der eine seinem unbändigen Stolz, und sehr viele scheitern. Der Trinker ist ein Gescheiterter. WIR wären auch Gescheiterte ohne Gott…“.

Jeder von uns kennt sein Scheitern. Die geplatzten Träume. Seine Hoffnungslosigkeit. Mit all dem darf ich mich Gott anvertrauen. Mich von ihm wieder aufrichten lassen. Einen Neuanfang wagen!

Einen guten und gesegneten Tag wünscht Ihnen Werner Brück aus Remscheid.

Quellen:

1. Siegmar Lahme (Hg.), das sind wir - Blaues Kreuz in Deutschland e. V., 1. Auflage, Lüdenscheid: Blaukreuz-Verlag, 2010, S. 5 – 7, 157 – 162.

2. Hilde Hofmann, Gespräche mit Ihm und mit Dir, Metzingen: Brunnquell Verlag, 1960, S. 125.

3. Werner Brück (Hg.), Das schaffen wir – Von Alkoholabhängigen und ihren Angehörigen, 2. Auflage, Wuppertal/Bern: Blaukreuz-Verlage,



2006, S. 114.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze