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Kirche in WDR 3 | 09.10.2020 | 07:50 Uhr
Rhododendron und Rosenstock
In der Straßenbahn vom Barbarossaplatz nach Rodenkirchen ist es still. Schräg vor mir – in sicherem Abstand - sitzt eine alte Dame. Sie trägt einen weißen Mundschutz. Ihr gegenüber sitzt eine Frau mittleren Alters. Diese Dame hat natürlich auch einen Mundschutz, einen bunten. Ich werde ungewollt Ohrenzeugin ihres Gesprächs:
„Ach“, seufzt die Dame mit dem bunten Mundschutz, „in was für einer Zeit leben wir nur - man kriegt kaum Luft unter der Maske. Für Sie“ – sagt sie zu der alten Dame – „muss das ja besonders unangenehm sein, stelle ich mir vor. Und dann die ganzen Ängste und man weiß ja gar nicht, ob es einmal besser wird…“
Die alte Dame erwidert: „Wissen Sie, ich habe einen Garten“, - die andere Dame und ich spitzen die Ohren - „und vor zwei Jahren als diese Hitzewelle war, ist er total vertrocknet. Da habe ich mir auch erst Sorgen gemacht. Fast alles ist verdorrt. Ich sage fast, weil merkwürdigerweise zwei Pflanzen überlebt haben. Nämlich ein uralter großer Rosenstock, der hat schon den Zweiten Weltkrieg gesehen –und ein Rhododendron. Normalerweise haben die gar nichts miteinander zu tun. Aber der Rosenstock hat dem Rhododendron Schatten gegeben, den er bitter nötig hatte. Und umgekehrt sah es so aus, als würde sich der Rosenstock am Rhododendron festhalten. Die haben sich regelrecht aneinandergeklammert, als ob der eine dem anderen was gibt, was ihm zum Überleben fehlt. Das hat dann geklappt. Beide haben trotz der Hitze geblüht! Tja und was soll ich sagen. Sie haben beide bis jetzt überlebt. Und in Coronazeiten erinnern sie mich daran, dass sie zusammen durch diesen heißen Sommer damals gekommen sind. Und wissen Sie, das hat doch was sehr Beruhigendes.“
Die Dame mit dem bunten Mundschutz hört aufmerksam zu. Wie ich.
Sich-aneinander-festhalten ist doch etwas für alle Lebewesen, denke ich. Wie sich Pflanzen gegenseitig beistehen, können Menschen das auch – gerade jetzt. Und ich finde, das Gespräch der beiden Frauen ist so ein Beispiel dafür, wie man sich gegenseitig aufrichten kann.
Aneinander festhalten. Das ist nicht nur eine nützliche Sache zwischen Rhododendron und Rosenstock. Oder wenn Menschen sich in Coronazeiten trösten. Aneinander festhalten – das ist auch ein schönes Bild für die Liebe Gottes zu den Menschen. Im Schatten der Liebe Gottes kann ich mich vor der unbarmherzigen Sonne bergen. An ihm kann ich mich aufrichten und festhalten. Daran denke ich, als ich den beiden Frauen zuhöre. Zeit auszusteigen aus der Bahn. Mein Herz ist viel leichter.
Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze