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Kirche in WDR 3 | 16.10.2020 | 07:50 Uhr
Hoch die Hände - Wochenende
Guten Morgen.
In einigen Stunden ist es wieder soweit: Viele Menschen brechen in’s Wochenende auf. Vielleicht Sie auch. Dazu passt der Spruch: „Hoch die Hände – Wochenende!“ Hurra, wieder eine Woche geschafft. Ab in die Freizeit und ins Freizeitvergnügen – soweit es denn in diesen Wochen der Pandemie irgendwie möglich und verantwortbar ist. Für viele ist doch das Leben in der Pandemie unübersichtlich geworden: Denn was geht eigentlich noch in der Freizeit? Ich sage da nur: keine großen Feiern, kein Besuch im ausverkauften Stadion, kein Gottesdienst in einer vollen Kirche. Und wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen?
Allerdings: Wir Menschen neigen dazu, alles, was irgendwie unüberblickbar ist, in Abschnitte einzuteilen. Manchmal in ganz kleine, oder in größere – je nach Lebensgefühl. Wenn es allzu schwer wird, halte ich es mit den Bergsteigern: „Wenn du denkst, nur der nächste Schritt geht noch – dann geh ihn. Und wenn Du das oft genug gedacht hast, stehst Du auf dem Gipfel!“
Manchmal geht mir das in der Corona-Pandemie genauso, wie auf einer anstrengenden Bergwanderung: Ich denke, es geht nicht mehr. Diese „Naturkatastrophe in Super-Zeitlupe“, wie sie der Virologe Christian Drosten einmal bezeichnet hat, ist so eine anstrengende Bergwanderung. Und irgendwie ist der Gipfel überhaupt nicht in Sicht… Deshalb tut es gut, sich diese lange, sehr lange Wegstrecke in Abschnitte einzuteilen. Einer davon ist eben die Woche. So geht uns das hier in dem Pfarramt, wo ich als Pfarrer tätig bin. Immerhin laufen hier die Fäden von vier Pfarreien zusammen. Während des Lockdowns gab es hier nur reduzierte Büro-Arbeitszeiten. Was aber nichts am Aufkommen von Fragen und Anliegen änderte – im Gegenteil: Die Mitarbeiterinnen mussten nun neben dem „normalen“ Alltagsgeschäft auch noch die immer komplexer werdenden Fragen und Anliegen bewältigen: Hygiene-Konzepte erstellen, Jugendheim-Nutzung klären, Beerdigungen unter Corona-Bedingungen ausrichten, Hochzeiten absagen, Erstkommunionfeiern umorganisieren und vieles, vieles mehr. Keine einfachen Aufgaben. Manchmal – gerade am Beginn der Woche – ein regelrechter Berg von Mails und Telefonaten, der bestiegen werden wollte. So schielten wir oft gemeinsam auf das Wochenende, das wegen der reduzierten Bürozeiten am Freitag schon um zwölf begann. Wenn es allzu hektisch wurde, fiel schon einmal der Satz: „Hilfe, das kannst du ja nur mit viel Schnaps ertragen…“ Daraus hat sich dann ein kleiner Ritus zum Wochenabschluss gebildet: Der „Freitags-zwölf-Uhr-Wochen-Abschluss-Schnaps“.
Gerade wenn es angesichts des nahenden Wochenendes besonders hektisch wurde im Büro, kehrte dann doch gegen 12 Uhr meist fast gespenstische Ruhe ein. Die haben wir dann mit der Büro-Besatzung gefeiert – mit einem Schnaps eben. Reihum brachte jeder einmal einen mit. Tiefes Durchatmen: „Puuuh – die Woche wäre auch schon wieder geschafft!“ statt ein fröhlich-ausuferndes „Hoch die Hände – Wochenende!“ Dafür reichte es oft nicht. Zu sehr wirkte die Anspannung des Dienstes noch nach. Es glich eher einer Erleichterung, die sich da Bahn brach. So haben wir uns Woche für Woche durch die Pandemie gekämpft. Mal mehr – mal weniger leicht. Aber es hat das Ganze doch etwas erträglicher gemacht. Keine Sorge – wir sind darüber nicht Alkohol abhängig geworden. Es war eher ein sehr wohltuender Abschnitt, so eine Art „Zwischengipfel“. Ich selber habe das noch einmal während der ganzen Pandemiezeit ganz anders erfahren: Der sonntägliche Gottesdienst, . ob in der Kirche oder über Radio oder Fernsehen verbunden – das war für mich immer ein Punkt, an dem ich für mich feststellte: Wieder ein Abschnitt geschafft. Und dazu noch ein gutes Wort von Jesus. Eigentlich gar nicht viel – aber wohltuend, kraftspendend.
Ich brauche solche Abschnitte, solche kleinen „Zwischengipfel“. Sicher Sie auch. Nehmen Sie sie wahr – es muss nicht gleich der Schnaps sein, oft tut es auch ein gutes Wort von einem lieben Mitmenschen – oder auch von Jesus.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in das Wochenende!
Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen.