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Choralandacht | 05.12.2020 | 07:50 Uhr

DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.

"Wie soll ich dich empfangen“ (eg 11)

Musik 1: Bach, Weihnachtsoratorium, Eingangschor, Titel: Weihnachtsoratorium, BWV 248 (für Soli, Chor und Orchester); Komposition: Bach, Johann Sebastian; Text: Henrici, Christian Friedrich; Chor: Bachchor Mainz; Leitung: Otto, Ralf; LC: 05537-NAXOS


Autorin: Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Dieser erwartungsvolle Beginn des Orchesters, bevor der Chor jauchzend einsetzt. Jedes Jahr im Advent besuche ich eine Aufführung. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Die Oratorien sind abgesagt, ich meide große Menschenansammlungen. Der erste Choral im Weihnachtsoratorium trifft meine Stimmung viel besser als der Glanz von Pauken und Trompeten:


Musik 1: Bach, Weihnachtsoratorium, Choral „Wie soll ich dich empfangen“

Sprecherin (overvoice): Wie soll ich dich empfangen / und wie begegn ich dir, / o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier? / O Jesu, Jesu, setze / mir selbst die Fackel bei, / damit, was dich ergötze, / mir kund und wissend sei.


Autorin: Da ist jemand auf der Suche. Die Musik ist verhalten, voller Seufzer und nachdenklicher Pausen. Bach unterlegt den Text der Melodie des Chorals „O Haupt voll Blut und Wunden“. Ein Lied, das zum Karfreitag gehört. Advent und Passion, Krippe und Kreuz sind verbunden. Der Jubel muss noch warten.


Aber ursprünglich war da eine andere Musik. Der Berliner Kantor Johann Crüger hat sie komponiert, nachdem sein Freund Paul Gerhardt ihm sein neues Adventslied geschickt hatte.


Musik 2: Choral „Wie soll ich dich empfangen“, Strophe 1 (Chor u. Instrumente)

Titel: Wie soll ich dich empfangen; Komposition: Cru?ger, Johann; Text: Gerhardt, Paul; Chor: Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart; Leitung: Michael Çulo; LC: 03989-Carus

Sprecherin (overvoice): Wie soll ich dich empfangen / und wie begegn ich dir, / o aller Welt Verlangen, / o meiner Seelen Zier? / O Jesu, Jesu, setze / mir selbst die Fackel bei, / damit, was dich ergötze, / mir kund und wissend sei.


Autorin: Advent: die Zeit der Erwartung, dass Gott zur Welt kommt. Paul Gerhardts nachdenkliche Fragen kleidet Johann Crüger in eine zuversichtliche Musik. Die Melodie fließt ruhig. Aber dann der Sprung bei „O Jesu“ – als wenn der Himmel aufreißt in der Dunkelheit.


Musik 2: Choral, Str. 2 (Knabensopran und Orgel)

Sprecherin (overvoice): Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin / und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn. Mein Herze soll dir grünen / in stetem Lob und Preis / und deinem Namen dienen, / so gut es kann und weiß.


Autorin: Passion und Advent, das Kind in der Krippe und der Mann am Kreuz, gehören zusammen. Die zweite Strophe erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem auf einem Esel. Die Menschen begrüßen ihn wie einen König und legen ihm Palmzweige auf den Weg – so eine Art „roter Teppich“ der kleinen Leute.

Paul Gerhardt überlegt, wie er dieses alte Bild in seine Zeit übertragen kann. Er reißt keine Äste ab, er betet und singt die biblischen Psalmen. „Mein Herze soll dir grünen“: Advent bedeutet: neuer Anfang, wie frisches Grün mitten im Winter. So deutet er die politische Geste bei Jesu Einzug in Jerusalem um als Kraftquelle für den eigenen Glauben.


Als Paul Gerhardt dieses Lied schreibt, ist er über vierzig Jahre alt. Was hat er nicht alles erlebt: in seinem elften Lebensjahr begann der Dreißigjährige Krieg. Mit 14 wurde er Vollwaise. Während Schulzeit und Studium eine schreckliche Seuche, die Pest. Das Elternhaus durch marodierende Truppen niedergebrannt. Schlechte Berufsaussichten in Kriegszeiten, an eine Familiengründung war nicht zu denken. Mit 44 dann endlich die erste Pfarrstelle.


Der Paul-Gerhardt-Biograph Christian Bunners schreibt:


Sprecher: Welches war das Kontinuum, durch das Gerhardts oft gebrochenes Leben ‚zusammengehalten‘ worden ist?... Es waren die Geschichten der Bibel. Es war deren Botschaft, dass der Mensch von Gott geliebt ist. … Es war der Glaube, dass die Gemeinschaft mit Gott um Christi Willen unverbrüchlich ist.


Autorin: Beschreibt Gerhardt in seinen Texten seine persönlichen Erfahrungen? Oder sind sie Poesie nach allen Regeln der Kunst? Ich finde, das ist nicht zu trennen.

Die vierte Strophe ist dafür ein Beispiel, hier wechselt die Perspektive immer wieder zwischen Ich und Du:


Musik 3: Choral, Violine (Melodie) und Orgel

Titel: Wie soll ich dich empfangen; Komposition: Cru?ger, Johann; Text: Gerhardt, Paul; Bearbeitung: Gohl, Franziska (Satz); Interpret: Busch, Christine (Violine) und Johannsen, Kay (Orgel); Album: Weihnachtslieder Vol. 2; LC: 03989-Carus

Sprecherin (overvoice): (Strophe 4) Ich lag in schweren Banden, / du kommst und machst mich los; / ich stand in Spott und Schanden, / du kommst und machst mich groß / und hebst mich hoch zu Ehren / und schenkst mir großes Gut, / das sich nicht lässt verzehren, / wie irdisch Reichtum tut.


Autorin: Die nächste Strophe finde ich am tröstlichsten im ganzen Lied. Paul Gerhardt deutet den Advent als große Umarmung des Gottessohnes mit den Menschen. Sprachlich schließt sich der Kreis vom „Empfangen“ in der ersten Strophe zum „Umfangen“ in dieser Strophe.

Viele erleben es so: Gerade wenn die Zeiten schwer sind, ist es manchmal besser, jemanden einfach in den Arm zu nehmen, statt viel zu reden. Und das höre ich in diesem Advent, wo ich Abstand halten und auf Berührung, gar Umarmungen besser verzichten muss, ganz neu.


Musik 2: Choral Strophe 5 (Tenor und Orgel)

Sprecherin (overvoice): Nichts, nichts hat dich getrieben / zu mir vom Himmelszelt / als das geliebte Lieben, / damit du alle Welt / in ihren tausend Plagen / und großen Jammerlast, / die kein Mensch kann aussagen, / so fest umfangen hast.


Autorin: Paul Gerhardts Sprache ist nicht meine, aber sie fasziniert mich immer wieder, zum Beispiel das Wort „Jammerlast“. Damit kann ich sofort eigene Erfahrungen verbinden. Und es tröstet mich, diese Zeilen zu hören und zu singen. Christian Bunners erklärt das so:


Sprecher: Gerhardts Lieder sind entstanden aus seiner Biographie mit Gott. Schönheitsgestalten sind sie, lassen in der gefallenen Welt die Schönheit Gottes aufklingen, wollen aus Kummer und Verzweiflung heraus Menschen wieder in Gang bringen.


Autorin: Bis hierher war das Lied ein Zwiegespräch mit Gott. Ist das nicht viel zu innerlich, ein frommer Rückzug in schweren Zeiten? Nein, denn die nächste Strophe führt hinaus, sie richtet sich an alle Welt.

Mag also sein, es gibt in diesem Advent kein Weihnachtsoratorium live, kein Singen im Gottesdienst und nur noch ab und zu eine Umarmung. Aber auf Gottes Trost können wir hoffen, Gott steht hier.


Musik 2: Choral Str. 6 (Chor und Instrumente)

Sprecherin (overvoice): Das schreib dir in dein Herze, / du hochbetrübtes Heer, / bei denen Gram und Schmerze / sich häuft je mehr und mehr; / seid unverzagt, ihr habet / die Hilfe vor der Tür; / der eure Herzen labet / und tröstet, steht allhier.



Quellenangaben für die VG Wort


Christian Bunners, Paul Gerhardt – fern und nah, in „Mein Sprachgesell“ - Paul Gerhardt 1607-2007,Arbeitsstelle Gottesdienst 20/2006,

Hannover 2006, S. 13 und S. 19


Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

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